Xi’an 西安市 und die Terrakotta-Armee

Die Terrakotta-Armee

Ich bin auf dem Weg nach Xi’an; es ist nicht mehr weit, aber die Stadt ist nicht zu erkennen, denn es hängt Dunst in der Luft, und ich fahre wieder mit Mundschutz.

Nachdem ich eine geeignete Unterkunft gefunden habe, nehme ich am nächsten Tag von hier aus den Bus für die rund 40 Kilometer zur Besichtigung der Terrakotta-Armee.
Vor mir sitzt ein junges, offenbar gut situiertes Ehepaar mit seinem etwa vierjährigen Sohn. Mit dem Vater komme ich ins Gespräch, und als der Kleine merkt, dass wir Englisch reden, fragt er mich: How old are you? What’s your favourite colour? Und er beantwortet meine Fragen nach seinen Lieblingsfarben.
Chinesische Kinder gehen normalerweise im Alter von unter drei Jahren in einen Kindergarten, der bereits schulische Inhalte vermittelt. Viele Eltern sind bereit, viel Geld in einen guten Kindergarten zu investieren. Und dieser Junge lernt bereits im Kindergartenalter eine Fremdsprache.
Der Vater bietet mir Hilfe für den Zutritt zu der Terrakotta-Armee-Anlage an. Er organisiert den Ticketkauf und einen Audioguide für mich. Danach trennen sich unsere Wege.

Die Anlage wurde 1974 von chinesischen Bauern zufällig entdeckt, als sie versuchten, einen Brunnen zur Bekämpfung der Trockenheit zu bohren. Dabei stießen sie auf eine harte, verbrannte Erdschicht. In  vier Metern Tiefe kamen Tonstücke zutage. Nun begannen Archäologen mit einer genauen Untersuchung der Grabanlage und entdeckten eine Tonarmee mit tausenden Figuren unter dem Boden. Erst etwa ein Viertel der gesamten Anlage ist bis heute komplett freigelegt. Den eigentlichen Grabhügel wollen chinesische Archäologen erst später öffnen, wenn das Material bearbeitet ist, das bis jetzt ausgegraben wurde.
Ich betrete die überdachte erste Grube und halte den Atem an. Was ich hier sehe, ist unglaublich: Unzählige lebensgroße Fuß- und Reitsoldaten mit Pferden und Kriegswagen, denen echte Waffen wie Schwerter, Pfeilspitzen und  Armbrüste beigegeben sind.

Terrakotta-Armee, erste Grube

Terrakotta-Armee, erste Grube

Der Bau der Anlage begann schon unmittelbar nach der Krönung des Kaisers, Gründer der Qin-Dynastie sowie des chinesischen Kaiserreiches, also im Jahre 221 v. Chr. Es wird vermutet, dass mehr als 700.000 Arbeiter an der Errichtung beteiligt waren.

Soldaten der Hauptarmee

Soldaten der Hauptarmee

Die Terrakotta-Armee verteilt sich auf drei Gruben. In der Hauptgrube sind die Soldaten in einer Schlachtordnung aufgestellt: Die Vorhut besteht aus mehr als 200 Bogenschützen, gefolgt von der Hauptarmee, die wahrscheinlich 6.000 Soldaten ausmacht. Da nicht die ganze Grube ausgegraben wurde, kann man die Gesamtzahl nur anhand der „Dichte der Figuren“ der bereits ausgegrabenen Soldaten schätzen. Diese Hauptarmee wird links und rechts von Soldaten abgesichert, und am Ende folgt die Nachhut.

Aktuelle Arbeiten

Aktuelle Arbeiten

Restaurierung

Restaurierung

Ausschnitt erste Grube

Ausschnitt erste Grube

Es ist bemerkenswert, dass sämtliche Terrakottafiguren individuell gestaltet sind, also keine zwei in Haltung, Gesichtszügen oder Ausstattungsdetails identisch sind.

Ausstellung in der zweiten Halle

Ausstellung in der zweiten Halle

Die chinesischen Archäologen arbeiten daran, die restlichen Terrakottasoldaten auszugraben und gegebenenfalls zu restaurieren. In einigen Jahren plant man dann, den Grabhügel zu öffnen. Bis heute kann man nur mutmaßen, was er enthält.
Seit 1987 ist die Terrakotta-Armee auf der Liste der Weltkulturerbe der UNESCO vertreten.

Xi’an   西安市

Um die 4 Millionen Metropole Xi’an sehen zu können, beschließe ich einen Tag länger zu bleiben. Xi’an, Sitz der Universität Nordwestchinas, einst Ausgangspunkt der Seidenstraße, besitzt eine nahezu vollständig erhaltene Stadtmauer.

Krone der Stadtmauer

Krone der Stadtmauer

Der Glockenturm von 1384 wurde 200 Jahre später versetzt und steht nun mitten auf einer großen Kreuzung, und die Autos fahren drumherum. Gemeinsam mit zwei chinesischen Touristinnen finde ich den Weg durch eine Unterführung dorthin und besteige den Glockenturm.

Glockenturm von Xi'an

Glockenturm von Xi’an

Eine Glocke des Turms

Eine Glocke des Turms

Blick vom Glockenturm

Blick vom Glockenturm

Trommelturm errichtet 1370, fotografiert vom Glockenturm

Trommelturm errichtet 1370, fotografiert vom Glockenturm

Trommeln im Trommelturm

Trommeln im Trommelturm

Ich gehe durch kleine Gassen im muslimischen Viertel; es duftet nach leckeren Speisen, aber ich riskiere nicht hier etwas zu essen.

Im muslimischen Viertel

Im muslimischen Viertel

Minarett der Moschee

Minarett der Moschee

Phoenix Pavillion in der Großen Moschee

Phoenix Pavillion in der Großen Moschee

Etwa 100 Jahre, nachdem die ersten Muslime nach China gekommen waren, wurde hier um 742 die erste Moschee mit dem Aussehen eines chinesischen Tempels gebaut, ein Indiz für die Integrationsfähigkeit der chinesischen Kultur.

Fußgängerbereich

Fußgängerbereich

Am Südtor betrete ich die Mauer. Man kann hier Fahrräder ausleihen, um die 14 Kilometer lange Tour auf der 12 Meter hohen Mauer um die Altstadt herum zu machen, aber ich verweile nur einen Moment, da ich noch mehr vorhabe anzusehen. Ein Chinese spricht mich an, er stellt sich vor mit dem Namen Chris. Wegen des Qingming-Festes, das die Chinesen als Ahnenverehrungsfest um den 5. April herum feiern, hat er frei und ist mit dem Zug nach Xi’an gereist, um die Stadt kennenzulernen. Auch heute noch gedenkt man an diesem Tag der verstorbenen Angehörigen. Und in Xi‘an ist wegen des Feiertags der Bär los.

Sightseeing mit Chris

Sightseeing mit Chris

Feiertagsfülle

Feiertagsfülle

Die gemeinsame Stadterkundung mit Chris ist klasse. Ich schaue im Lonely planet nach der Busnummer, und er kann sich für uns durchfragen. Mit dem Bus 609 fahren wir gemeinsam zur Großen Wildganspagode.

Große Wildganspagode

Große Wildganspagode

Die 64 Meter hohe Große Wildganspagode entstand im Jahr 652, im Hof des Klosters der Großen Wohltätigkeit  im Tempelkomplex DaCi’en. Sie diente zur Aufbewahrung buddhistischer Schriften, die ein Mönch von seiner Pilgerreise nach Indien mitbrachte und übersetzte. Über eine schmale Treppe erklimme ich die Pagode.

Gebäude im Tempelkomplex DaCi’en

Gebäude im Tempelkomplex DaCi’en

Die Kleine Wildganspagode wollen Chris und ich mit dem Taxi erreichen, aber wir kriegen keins. Daher nehmen wir ein dreirädriges Moped, in dessen Fahrgastraum vier Personen Platz finden; die Tür rechts fehlt jedoch. Wir fahren mit drei Fahrgästen quer durch die Stadt. Eine vergleichbare Taxifahrt habe ich bisher noch nie erlebt. Der Fahrer fährt abenteuerlich, und ich schüttle nur den Kopf. Es geht gegen die Fahrtrichtung über Fußwege, auf Straßen, eingequetscht zwischen Bussen, und nur mit Zentimeterabstand schießt er mit seinem Moped durch sich bietende Lücken im Straßenverkehr. Da ein Stau vor uns ist, dreht der Fahrer auf der sechsspurigen Straße und fährt gegen die Fahrtrichtung auf dem zur Straße hin abgezäunten Fahrradweg. Auf jeden Fall ist er wesentlich schneller als ein Taxi. Er bekommt 20 Yuan, und ich bringe mich in Sicherheit, bevor er wieder anfährt.
Selbst Chris, der Gefährte dieser Art kennt, gibt zu, solch einen Fahrstil noch nicht erlebt zu haben.

Kleine Wildganspagode

Kleine Wildganspagode

Die Kleine Wildganspagode, Tempel des Aufbewahrten Glücks, entstand in den Jahren 707 bis 709. Ursprünglich hatte sie insgesamt 15 Stockwerke, büßte jedoch durch mehrere Erdbeben ihre beiden oberen Geschosse ein. Mit den verbliebenen 13 Stockwerken erreicht sie heute eine Höhe von etwa 43 Metern. Ich gelange über eine schmale steile Holztreppe nach oben und trete ins Freie. Neben Hochhäusern sehr ich auch Parkanlagen mit Teichen – ein schöner Ausblick.

Auf der Kleinen Wildganspagode

Auf der Kleinen Wildganspagode

Nun verabschiede ich mich von Chris und fahre mit dem Bus zurück zum Hotel.
Der heutige Tag war voll ausgefüllt; das war schön und ganz stressfrei, denn Chris organisierte die Fahrten von A nach B, und ich konnte mich zurücklehnen.

4 Gedanken zu „Xi’an 西安市 und die Terrakotta-Armee

  1. Silke Feltrup

    Hallo Frank,
    ich bin ganz baff: Was für abwechslungsreiche Bilder und offensichtlich sehr freundliche Menschen. Ich freue mich auf die nächsten Etappen 😉
    Weiterhin eine gute Reise,
    Silke

    Antworten
  2. Elke aus Gambia

    Hallo Frank
    wow, das Reisefieber packt mich wieder mit aller Gewalt ! Es macht mich richtig unruhig, hier zu sitzen und deine tollen Berichte und die wunderschoenen Fotos anzuschauen.
    Ich wuensche dir auch weiterhin, dass du immer nette Menschen findest, mit denen du dich verstaendigen kannst und Etappen deiner Reise gemeinsam bewaeltigen kannst.
    Mit dem Essen sieht es wohl nicht so gut aus, oder ?? Wer mag denn auch Huehnerfuesse oder -koepfe und was sich da noch so alles moegliche unter ’ner knusprigen Oberflaeche verbirgt ? 😉
    Sehnst dich bestimmt nach dem „Chinesen“ um die Ecke in Celle ??? grinsfrech…
    Skype funktioniert im Moment ganz schlecht hier, ich versuche es aber immer wieder mal. Jedenfalls waren meine Sorgen wohl unbegruendet, dir geht’s richtig gut und ich druecke dir alle Daumen, dass es so bleibt….
    Bis zum naechsten Bericht, alles Gute und „thumbs up“

    Antworten
  3. Bianca

    Hallo Frank,

    herzlich gelacht habe ich erstmal über das Selfie…wie ein Schornsteinfeger (ein Glücksbringer) siehst du aus und dann geht’s auch noch in den Tempel des aufbewahrten Glücks, da kann ja nix mehr schiefgehen…das Glück begleitet dich auf deinem Weg.

    Es sind Ferien, ich komme kaum nach mit dem Lesen, too much information auf einmal, so spannend und tolle Bilder, denen leider immer nur ein wenig Sonne fehlt. Was für ein aufregendes Land, das du mit bewundernswerter Gelassenheit bereist.

    Die erste Runde haben wir bereits hinter uns ohne dich, aber du bist immer im Gespräch und mehr als einmal sagte jemand: „Frank hätte jetzt gesagt …“.

    Weiter gute Fahrt und … keine Gnade für die Wade!
    Bianca

    Antworten

Schreibe einen Kommentar zu Silke Feltrup Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert