An der chinesisch-vietnamesischen Grenze erlebe ich den wohl einfachsten Grenzübergang bisher. Ich muss kein Gepäck zeigen oder es durch einen Scanner schieben. Man behandelt mich freundlich, und ich kann ohne weitere Kontrollen mit meinem Rad durch – klasse!
In Lạng Sơn angekommen bringt mich eine Frau vom Hotel mit ihrem Moped zur Bank und dann zum SIM-Karten-Kauf: Wir klappern mehrere Läden ab, bis sie erfolgreich ist; freundlicherweise organisiert sie das alles für mich.
Mit meiner Kreditkarte hebe ich die offenbar höchstmögliche Summe von 2 Millionen VND – Vietnam Dong – ab; das entspricht knapp 69 Euro.
Hier in Vietnam zu fahren macht richtig Freude; es gibt bisher keine Höhenmeter. Ich probiere Trái ổi – Früchte, die aussehen wie Äpfel, geschält werden, wie Melone schmecken und deren Kerne mitgegessen werden.
In einem kleinen Ort kaufe ich bei einem älteren Mann Eistee. Seine etwa fünfjährige Enkelin spricht bereits ein wenig Englisch und erklärt mir, dass der heiße Tee, der mir eingeschenkt wird, grüner Tee ist, wie weit es bis zum nächsten Dorf ist usw. – niedlich!
Insgesamt scheint die Infrastruktur hier besser zu sein als im Südosten Chinas.
Die Breite eines Hauses bestimmt die Steuer, nicht die Tiefe, und zwei Stockwerke dürfen nicht überschritten werden. Vorm Haus wird Getreide, das auf der Erde zum Trocknen liegt, gewendet.
Nach weiteren 250 Kilometern erreiche ich die Vịnh Hạ Long – die Halong-Bucht. Geschäftstüchtige Einheimische, die mir ein Schiff organisieren wollen, schüttle ich erfolgreich ab und fahre zur Tourist-Info. Ich erkläre, dass ich ein komfortables Schiff für zwei Nächte haben möchte, und man versteht mich! Fünf Minuten später steht ein Taxi vor der Tür. Mein Fahrrad bleibt an Land, es steht sicher bei der Tourist-Info, und ich nehme nur meine Packtaschen mit.
Das Taxi fährt mich zum Hafen, von dort bringt mich ein kleines Boot zu „meinem Schiff“.
Das Personal im Restaurant an Bord wartet bereits, dass ich komme, und mit meinen durchgeschwitzten Fahrradklamotten am Leib setze ich mich direkt zum Mittagessen dorthin: Huhn, Tintenfisch, leckerer Salat, natürlich Reis – alles vom Feinsten, richtig klasse!
Ich habe eine Einzelkabine auf diesem Luxusschiff ergattert und erkunde so die Halong-Bucht … – wie genial!
Die Vịnh Hạ Long ist ein gut 1.500 km² großes Gebiet im Golf von Tonkin in Vietnams Nordosten. Es sind 1969 Kalkfelsen, die aus dem Wasser ragen, zumeist unbewohnte Inseln und Felsen, oft mehrere hundert Meter hoch. Die Bucht befindet sich auf einem Kalksteinplateau, welches versinkt. 1994 erklärte die UNESCO die Bucht zum Weltnaturerbe.
Der Name Vịnh Hạ Long 泳下龍 bedeutet „Bucht des untertauchenden Drachen“. Der Legende nach zog ein Drache, der in den Bergen nahe am Meer lebte, auf seinem Weg zur Küste mit seinem Schwanz tiefe Furchen in das Land, die vom Meer überflutet wurden, nachdem der Drache ins Wasser getaucht war.
Vom Schiff steige ich unterwegs um in ein Zweier-Kanu, das ich mit einer Australierin teile, und wir paddeln um die kleinen Inseln herum. Eine der Inseln, Monkey Island, betreten wir.
Nach dem Schwimmen trinke ich in einer Bar noch ein kühles Bier, dann geht es mit dem Boot zurück zum Schiff. Bevor man das Boot betritt, hält man seine Schuhe in die Schale mit Wasser, damit kein Sand an Bord gelangt.
Nach dem Landgang ist meine Geldbörse inklusive Personalausweis und einer Kreditkarte verschwunden. Ich schicke nachts um zwei Uhr deutscher Zeit eine What’s app nach Hause, damit Katrin die Karte sperren lässt, denn auf dem Schiff habe ich kein Netz zum Telefonieren. Vermutlich ist mir die Börse in der Bar oder auf dem Boot abhanden gekommen; das ist blöd, aber nicht änderbar, und so lasse ich mir die Laune zumindest nicht nachhaltig verderben.
Gemeinsam mit anderen Passagieren esse ich. Rechts sitzt ein Paar aus Jakarta, Indonesien, und neben mir eine Australierin aus Sydney; sie ist seit Februar unterwegs mit Gepäck auf Rollen und übernachtet normalerweise in Hostels.
Die Schiffsküche verwöhnt unsere Gaumen.
Nach einem guten Abendessen und einer erholsamen Nacht in klimatisierter Kabine stehe ich um fünf auf, um den Sonnenaufgang zu erleben, und ich bin allein an Deck.
Es gibt ein europäisch anmutendes Frühstück an Bord – wie lecker nach all den Nudelfrühstücken. Sogar echter Bohnenkaffee ist da!
Am Vormittag steigen wir wieder in Kanus um. Leider können wir die Lagune und die Schwarze Grotte wegen des Tidenhubs nicht anfahren; es ist Hochwasser und dann wird es in der Höhle gefährlich, denn man kommt nicht wieder raus. Durch eine andere Höhle können wir noch paddeln, und wir sehen Stalaktiten und Fledermäuse.
Wir machen einen Zwischenstopp bei einer Perlenfarm.
Nur etwa 10% der Perlen sollen von guter Qualität sein.
Wir steuern erneut eine der Inseln an.
Die von Kalksteinfelsen durchsetzten Inseln haben Höhlen in allen vorstellbaren Größen und Formen zu bieten. Viele der Höhlen werden durch besondere Lichteffekte angestrahlt und machen den Besuch zu einem ganz besonderen Erlebnis, wie beispielsweise die am nächsten zum Festland gelegene Hang Dau Go-Höhle. Sie besteht aus drei unterschiedlichen Ebenen, die durch die neunzig in Stein geschlagene Treppen erreichbar sind. Bizarre Stalaktiten, die durch unterschiedliche Lichtformationen angestrahlt werden, sind hier zu bewundern.
Zurück an Bord genehmige ich mir einen richtig schönen starken Kaffee mit leckerem Obst auf dem Sonnendeck. Das ist wie Urlaub, und es geht mir blendend!
Wir wickeln unsere Frühlingsrollen selbst, die dann zum Mittag frittiert auf den Tisch kommen.
Der kegelförmige Hut schützt diese junge Frau vor Sonne. Als Bedienung verdient sie gerade mal 160 Dollar im Monat.
Nach zwei Tagen bin ich zurück an Land. Ein Taxi bringt mich zu meinem Fahrrad an der Tourist-Information. Ich lasse mein Gepäck da, setze meinen Helm auf und fahre mit einem Motorradfahrer, der zur Reederei gehört, die ich noch bezahlen muss, zu einem Kreditkartenbüro. Mit meiner Ersatzkreditkarte versuche ich Geld zu bekommen, und es klappt.
Anschließend geht es mit demselben Motorradfahrer zur Polizei, und wir übersetzen den Verlust des Inhalts meiner Börse hin und her. Alles muss erneut aufgeschrieben werden: Er tut das auf Vietnamesisch, ich auf Englisch. Das „Dokument“ wird von einem freundlichen Polizisten abgestempelt, und ich erhalte eine Kopie.
Der Motorradfahrer bekommt die 280 Dollar für die Schiffsfahrt und ein paar Euro als Dank für seine Übersetzungsarbeit, und dann bringt er mich zu meinem Fahrrad zurück und verabschiedet sich.
Nun wird es Zeit loszufahren, denn es ist bereits nachmittags und ich habe noch gut 60 km vor mir.