Ohne „personal guide“ schafft man es als Individualtourist kaum, eine kubanische Stadt zu besuchen, denn sie heften sich an unsere Versen. Unser hiesiger Einheimischer ist Sozius auf einem Moped, das in hohem Tempo vor uns die unglaublich steilen Gassen, die fast allesamt Einbahnstraßen sind, hinauf und hinunter heizt, so dass wir kaum hinterher kommen. Und in diesem Gewusel an schmalen Straßen gelingt es allein kaum sich zu orientieren, sodass die paar Pesos hier gut investiert sind.
Neben einer privaten zentral gelegenen Unterkunft organisiert er auch gleich noch ein Lokal für ein späteres Abendessen, muss sich aber mit seiner Wegbeschreibung begnügen, da wir keine Lust haben, ihm direkt nach unserer Ankunft in der Stadt sofort dorthin zu folgen. Und ob wir überhaupt hingehen werden, ist noch fraglich.
Die 500 Jahre alte Stadt Santiago de Cuba wurde als fünfte spanische Siedlung auf Kuba gegründet und war von 1523 bis 1556 Inselhauptstadt. Sie diente als Hauptstützpunkt der spanischen Armada in der Karibik, und hier legten Sklavenschiffe aus Westafrika an.
Keine andere Stadt, so heißt es, versprüht mehr karibisches Flair. Das liegt zweifellos an den auch heute noch überwiegend schwarzen Bewohnern, aber auch an dem heißeren Klima und der herrlichen Lage zwischen dem Karibischen Meer und zu Füßen des höchsten Gebirges in Kuba, der Sierra Maestra.
Mit gut 500.000 Einwohnern ist Santiago die zweitgrößte Stadt Kubas.
Jüngere historische Bedeutung erlangte sie als Ort der ersten revolutionären Attacke unter Fidel Castro im Juli 1953, die fehlschlug. Dennoch gilt sie als Beginn der Volkserhebung, und am ersten Tag des Jahres 1959 schließlich verkündete Castro den Sieg der Revolution.
Das Zentrum Santiagos bildet der Parque Céspedes inmitten historischer Sehenswürdigkeiten und als Schauplatz wichtiger geschichtlicher Ereignisse.
Das auffallend weiße Gebäude mit strahlend blau gestrichenen Balkonen und Fenstern war einst Rathaus der Stadt. Heute hat die Kommunistische Partei Santiagos hier ihren Sitz. Vom Balkon dieses Hauses hat Fidel Castro, nachdem der Diktator Batista das Land verlassen hatte, am 1. Januar 1959 seine erste Rede als siegreicher Comandante en Jefe gehalten. Tausende versammelten sich damals auf dem Platz und Millionen sollen an den Radios gelauscht haben.
An der Südseite des Platzes ragt die Kathedrale von Santiago de Cuba empor. Bereits im Jahr 1516 war hier eine Holzkirche erbaut worden, die allerdings dem Feuer zum Opfer fiel. Diverse Nachbauten wurden ebenfalls durch Brand oder Erdbeben zerstört, und die heutige Kirche wurde erst 1922 fertig gestellt. Zwischen den Zwillingstürmen erkennt man eine große Engelsfigur, und in der Kathedrale befindet sich das Grab des Gründers der Stadt, Diego Velázquez.
Einer der ältesten Kolonialbauten Lateinamerikas und das älteste erhaltene Haus auf Kuba ist die Casa Don Diego Velázquez an der Westseite des Parque Céspedes. 1516 begann der Bau der Residenz des ersten Inselgouverneurs; besonders auffallend sind die miradores, die vergitterten Balkone.
Abends zeigt sich, dass es trotz der Größe der Stadt nicht so einfach möglich ist, ein Restaurant ausfindig zu machen. Schließlich landen wir also doch in dem empfohlenen Lokal unseres „personal guides“.
Kaum haben wir Platz genommen, taucht dieser Typ wieder auf, bestellt sich – unser Einverständnis voraussetzend – ein Bier bei der Kellnerin, die gerade unsere Bestellung aufnimmt und ihn durchaus ganz gut zu kennen scheint. Das ist einfach so unglaublich, dass wir darüber nur noch in Lachen ausbrechen.
Die enge Bebauung in Santiago de Cuba ist nicht nur der Lage an der Sierra Maestra geschuldet, sondern typisch für zahlreiche Städte der Insel. Jede Lücke wird genutzt, was zu witziger Hausnummerierung führen kann wie gegenüber unserer Casa Particular.
Das Verlassen der Stadt am nächsten Morgen wird trotz Stadtplans in unserem Reiseführer zu einer schweißtreibenden Angelegenheit; heißt es doch, sich in eng verwinkelten Gässchen ohne Straßennamenschilder zu orientieren und so steile Straßen hinaufzufahren, dass wir nicht sicher sind, ob unser Wägelchen das schaffen wird und unklar ist, wie es hinter der Kuppe wohl weitergehen mag. Verglichen mit den Straßen Santiagos ist San Fransicso ein Waisenknabe.
Schließlich lassen wir die Innenstadt hinter uns. Am Revolutionsplatz mit seinem Antonio-Maceo-Denkmal vorbeifahrend verlassen wir Santiago de Cuba Richtung Norden.