Um die Bodenerosion zu vermindern und die mageren Böden zu düngen, wurde 1945 die Lupine nach Island gebracht. Im südwestlichen Tiefland wurde sie zuerst angebaut, doch inzwischen hat sie sich über die gesamte Insel, sogar bis ins Hochland, verteilt.
Nun bedroht diese robuste, kräftige Pflanze das Wachstum der empfindlichen, zumeist niedrig wachsenden einheimischen Moose, Flechten und Kräuter, sodass man mancherorts versucht, die Lupine durch Ausgraben wieder zu vertreiben.
Der Schotteranteil liegt heute bei 50 Prozent, ist aber gut zu fahren, auch in kurvenreichen Abschnitten.
Die Piste führt weit um die Fjorde und ihre Arme herum. Gefühlte Stunden später sehen wir Bíldudalur wieder auf der anderen Fjordseite.
Der breite Arnarfjörður reicht 30 Kilometer ins Land hinein und spaltet sich hier in zwei Arme auf, die sich in weitere Seitenfjorde aufteilen.
Heiße Quellen treten meist dort auf, wo schon lange keine vulkanische Aktivität mehr herrscht, besonders häufig in Tälern und Fjorden. Auch wenn die Vulkane schon lange erloschen sind, gibt es genügend Restwärme, um das durch Spalten eindringende Grundwasser zu erwärmen. In bis zu 2000 Metern Tiefe erhitzt sich das Wasser durch den Kontakt mit dem heißen Gestein und gelangt in einem Kreislauf irgendwann wieder an die Oberfläche.
Das Wasser dieser heißen Quelle speist einen „heißen Pott“, neben dem sich eine Holzhütte zum Umziehen befindet. Hier kann jeder, der möchte, beliebig oft und lange kostenlos baden. Zwei Leute genießen gerade ein Bad. Das würden wir an diesem Tag, der immer wieder Regengüsse bereithält, auch gern tun, aber das Umziehen mit den Motorrad- und Regenklamotten ist uns einfach zu aufwändig.
Es ist kühl, und Katrin behält ihren Helm auf, während sie seitlich am Becken entlang geht. Küstenseeschwalben fliegen auf, die bei der Verteidigung ihrer Nester äußerst unangenehm werden können. Offenbar brüten sie im Gras, was uns bisher entgangen ist. Da stürzt sich ein aggressives Tier lärmend auf Katrins Helm und setzt im Flug Kot ab, der knapp an ihrer Schulter vorbeigeht. Zeit zu gehen, denn dieses Schauspiel erinnert an Hitchcocks Verfilmung von Daphne du Mauriers Geschichte „Die Vögel“.
Wir umfahren heute fünf Fjorde, und dabei geht es auch immer wieder hoch in die Berge.
Die Bauarbeiten sind nicht angenehm für Motorradfahrer, da man den festen Belag auflockert, um Schlaglöcher zu schließen, die wir gut umfahren könnten.
Der abgeschieden liegende Wasserfall Dynjandi ist der höchste in den Westfjorden. Breit aufgefächert stürzt er 100 Meter in die Tiefe.
Der Borgarfjördur ist kurz und breit mit beeindruckenden Bergen im Hinterland.
Eine knappe halbe Stunde, nachdem wir den Wasserfall verlassen haben, rückt er nach Umrunden des Fjords erneut in unseren Blick.
Die Schafe sehen uns, verharren einen Moment und flüchten dann in großen Sprüngen zum Wasser runter.
Der Breiðadals-og-Botnsheiðar-Tunnel verbindet Ísafjörður mit den südlichen Westfjorden. Er misst 9120 Meter insgesamt und ist damit Islands längster Tunnel. Allerdings hat er eine Besonderheit: Nach etwa vier Kilometern gibt es eine Kreuzung, und der Tunnel teilt sich. Er ist ein einspuriger Tunnel. Wer Vorfahrt hat und wer ausweichen muss, ist bei solchen Tunneln immer vorher ausgeschildert. Als Faustregel gilt: Die Fahrtrichtung, auf deren Seite die Ausweichbuchten liegen, hat Haltepflicht.
Wir testen die Kreuzung im Tunnel und machen einen Abstecher nach Suðureyri. Auf dem Rückweg biegen wir dann im Tunnel nach Ísafjörður ab.
Ein Drittel der Menschen in den Westfjorden lebt in Ísafjörður. Im Rücken der Stadt befindet sich die 700 Meter hohe Felswand Eyrarfjall und im Norden mit dem Ísafjarðardjúp der größte der Westfjorde, der 75 Kilometer weit ins Landesinnere schneidet und sich in viele Nebenfjorde verzweigt.
Als wir abends Pizza essen, stoßen wir auf ein bekanntes Gesicht. Seit dem Anlegen der Fähre in Island haben wir inzwischen die halbe Insel umrundet, und nun treffen wir unerwartet Kai wieder.
Kai ist mit mir in Hirtshals aufs Schiff gegangen, hat ebenso wie ich einen Zwischenstopp auf den Färöer eingelegt und ist zur selben Zeit mit der Fähre nach Island übergesetzt. Sein Motorrad hat er nach Reykjavík zur Reparatur bringen lassen, er selbst ist von Seyðisfjörður in die Hauptstadt geflogen. Und nun treffe ich ihn hier in den Westfjorden wieder.
Da wir zwei Übernachtungen für Ísafjörður eingeplant haben, lassen wir es am nächsten Tag ruhig angehen.
Bald nach dem Bolungarvíkurgöng erreichen wir den kleinen Ort Bolungarvík, wo wegen der Nähe zu reichen Fischgründen schon seit Beginn der Besiedelung Fischerei betrieben wurde. Im Freilichtmuseum der Fischereisiedlung Ósvör am Ortsrand kann man sich in grasbedeckten Fischerhütten in die Zeit zurückversetzen, als hier noch mit Ruderbooten gefischt wurde.
In vogelreichen Gebieten meist an der Küste sieht man häufig diese Hinweisschilder. Es kann passieren, dass man versehentlich ins Revier von Küstenseeschwalben gerät. In der Brutzeit attackieren sie alle potentiellen Feinde, die sich ihren Gelegen nähern. Sie starten zu Warnflügen und greifen auch an, so wie wir das bei den Hot Pots erlebt haben. Da die Vögel immer nur den höchsten Punkt ihres vermeintlichen Gegners anvisieren, kann man sie vom eigenen Kopf ablenken, indem man Stöcke – oder bei wenig Wind auch Regenschirme – in die Höhe hält. Zur Not behält man seinen Motorradhelm auf … 😉
Und tatsächlich sehen wir vereinzelt Jogger, die einen belaubten Zweig in die Hand genommen haben und statt zu laufen nach oben blicken und mit dem Zweig herumfuchteln.
Vor dem Befahren dieser Nebenstraße wird aufgrund herabstürzender Felsbrocken gewarnt, und so kehren wir um.
In Súðavík gibt es ein Polarfuchszentrum, in dem wir eine Führung mitmachen. Es gibt die Tiere in drei Fellfarben: weiß, blau – man meint eigentlich braun mit bläulichem Schimmer – und beige. Die weißen Polarfüchse sind nur im Winter weiß, im Sommer sind sie grau-braun und passen sich so perfekt ihrer Umgebung an. In den Westfjorden dominiert die blaue Morphe.
Durch ihr dichtes Winterfell (20.000 Haare pro Quadratzentimeter) können sie kurzfristig bis minus 70 Grad aushalten.
Polarfüchse erreichen eine durchschnittliche Größe von 55 Zentimetern und ein Gewicht von dreieinhalb bis fünf Kilogramm.
Der Polarfuchs ist ein Beutegreifer, aber er frisst in der Not auch Aas und Beeren.
In Island ist er durch seine große Population nicht bedroht.
In einem Außengehege lebt ein Polarfuchs-Geschwisterpaar, dessen Mutter erschossen wurde und das man vor zwei Jahren als junge Welpen in dem Polarfuchszentrum abgab. Ein Auswildern ist nach so langer Zeit der Gefangenschaft nicht mehr möglich.
Zurück in Ísafjörður befreie ich die BMW von all dem Pistenstaub und -schlamm, der sich in den letzten Tagen angesammelt hat. Das Wasser zum Reinigen der Fahrzeuge wird an Tankstellen in Island kostenlos zur Verfügung gestellt – es gibt ja auch genug davon.