Islands Nordküste

Nach fünf Tagen verlassen wir die einsamen Westfjorde auf der Straße 68, die sich um Fjordarme herumschlängelt. Wiederholt wechseln Asphalt- und Schotterstrecken. Der immer wieder einsetzende Regen saut uns völlig ein – Motorrad, Stiefel, Hosenbeine, alles ist, gut isolierend, mit einer langsam trocknenden Schlammschicht bedeckt.

Tank- und Teepause nach der "Schlammschlacht"

Tank- und Teepause nach der „Schlammschlacht“

Gletscherfluss Blanda

Gletscherfluss Blanda

Húnaflói, die größte Bucht im Norden Islands, trennt die Westfjorde vom Rest der Insel. Am Ostufer der Bucht liegt der Ort Blönduós, der sich zu beiden Seiten der Mündung des Gletscherflusses Blanda erstreckt. Dieser lachsreiche Fluss entspringt am Gletscher Hofsjökull und gehört mit seinen 125 Kilometern zu den längeren Flüssen Islands.
Mitten im Ort bildet der Fluss die kleine Insel Hrútey, die wegen des Vogelbestandes unter Naturschutz steht. Das stört die Wildgänse, die sich lieber auf großen Grasflächen in Blönduós aufhalten, wenig.

Wildgänse

Wildgänse

Isländer am Fluss Blanda

Isländer am Fluss Blanda

Immer wieder reißen die Wolken auf

Immer wieder reißen die Wolken auf

Fünf Minuten später fahren wir erneut in Regenwolken hinein

Fünf Minuten später fahren wir erneut in Regenwolken hinein

Weites Tal mit Fluss, der sich zur Bucht hinunterschlängelt

Weites Tal mit Fluss, der sich zur Bucht hinunterschlängelt

Schwimmbad in Hofsós

Schwimmbad in Hofsós

Das Schwimmbad in Hofsós liegt wunderschön mit Blick auf den Skagafjörður. Wir erwägen, eine Pause einzulegen und in dem 38 Grad warmen Pool zu entspannen. Aber der ist schon ziemlich voll, und wir haben wieder einmal keine Lust uns aus der Motorradkluft herauszuschälen.
Stattdessen gehen wir zum Fjord hinunter und werden mit einem fantastischen Säulenbasalt-Küstenabschnitt belohnt.

Säulenbasalt in Hofsós

Säulenbasalt in Hofsós

Säulenbasalt, Draufsicht

Säulenbasalt, Draufsicht

Siglufjörður

Siglufjörður

Möglicherweise wäre niemand auf die Idee gekommen, sich an dieser ungemütlichen Küste im Norden Islands anzusiedeln, wenn es am Anfang des 20. Jahrhunderts nicht die riesigen Heringsschwärme gegeben hätte. Die Gegend ist rau und bietet keine Möglichkeit für Landwirtschaft; selbst für Schafe geben die steilen, nur spärlich begrünten Hänge nicht genug her.
Der Wind weht in Siglufjörður oft eisig, wenn er von Norden kommt. Die Winter sind schneereich und die Verkehrsverbindungen schwierig. So ist der nächste Ort Ólafsfjörður zwar nur 15 Kilometer Luftlinie entfernt, aber auf der Straße, die einen weiten Umweg durchs Land machen muss, sind es 60 Kilometer. Wenn die Hochebene Lágheiði aufgrund schlechter Witterungsverhältnisse nicht befahrbar ist, sind es über die Ringstraße sogar 230 Kilometer. Vor sieben Jahren eröffnete man dann den Héðinsfjarðargöng; dieser Tunnel verbindet nun Siglufjörður und Ólafsfjörður.

Im Heringsmuseum in Siglufjörður

Im Heringsmuseum in Siglufjörður

Wir besuchen das Heringsmuseum. Zu Zeiten der großen Heringsfischerei herrschte in Siglufjörður Goldgräberstimmung. Innerhalb von 40 Jahren wuchs der Ort vom kleinen Fischerdorf zur fünftgrößten Stadt des Landes mit 3000 Einwohnern. Heringsspekulanten kamen und gingen, einige wurden reich, andere verloren alles. Einige tausend Saisonarbeiter sorgten in der Stadt für buntes Treiben.

Schlafkammer

Schlafkammer

In dieser Kammer schliefen angeblich bis zu 16 Frauen je zu zweit in einem Bett; Saisonkräfte, die für das Ausnehmen der Heringe zuständig waren.

Arbeitsgeräte der Frauen

Arbeitsgeräte der Frauen

An den Tischen verrichteten die Frauen ihre Arbeit und legten die Heringe in die Fässer, worin sie gesalzen und für den Export verladen wurden.

1969 verschwand der Hering, die Bestände waren überfischt. Viele Fabriken mussten schließen, die Einwohnerzahl sank auf weniger als die Hälfte.

Die wirtschaftliche Situation hat sich inzwischen stabilisiert. Es gibt noch eine Fischsiederei und zwei Krabben verarbeitende Betriebe.
Reisesaison herrscht auch im Winter, denn ein Skigebiet liegt vor der Stadt.

Siglufjörður Hafen

Siglufjörður Hafen

Unser Hotel verfügt über eine Sauna und einen warmen Pool – großartig! Beides liegt direkt am Wasser, und wir werden für das Auslassen der warmen Badegelegenheiten unterwegs bestens entschädigt. Es ist abends, Essenszeit, sodass wir die einzigen Nutzer sind.

Saunabaden mit Blick aufs Wasser

Saunabaden mit Blick aufs Wasser

... und dann relaxen im fast 40 Grad warmen Pool

… und dann relaxen im fast 40 Grad warmen Pool

Der Héðinsfjarðargöng verbindet Siglufjörður und Ólafsfjörður

Der Héðinsfjarðargöng verbindet Siglufjörður und Ólafsfjörður

Durch den Héðinsfjarðargöng gelangen wir an den weit ins Land reichenden Eyjafjörður, an dessen Ende Islands zweitgrößte Siedlung Akureyri liegt.

Akureyri am Eyjafjörður

Akureyri am Eyjafjörður

Akureyri hat etwa 18.000 Einwohner und ist Universitätsstadt. Obwohl die Stadt nur rund 50 Kilometer südlich des Nördlichen Polarkreises liegt, herrscht ein außergewöhnlich mildes, regenarmes Klima und eine für isländische Verhältnisse üppige Vegetation.
Als wir über den Damm zur Ringstraße 1 fahren, bemerken wir, dass die Landebahn des Flugplatzes mitten im Wasser liegt.

Eine Cessna ist gerade gelandet

Eine Cessna ist gerade gelandet

Etwa 50 Kilometer östlich von Akureyri bildet der Fluss Skjálfandafljót den Goðafoss Wasserfall.
Seinen Namen erhielt er von dem Goden Þorgeir, Gesetzessprecher des Alþing, der sich im Jahr 1000 in Þingvellir zum Christentum bekannte und daraufhin seine Götterstatuen in den Wasserfall warf.
Goðafoss (Wasserfall der Götter) erinnert an dieses wichtige Ereignis.
Der Fluss Skjálfandafljót ist der viertlängste Islands, etwa 180 Kilometer lang. Das Wasser stürzt nur zwölf Meter in die Tiefe, aber die Wassermassen ergießen sich sehr fotogen auf breiter Front in eine Schlucht.

Fotogener Goðafoss

Fotogener Goðafoss

Durch Lavagestein stiefeln wir nahe an den Goðafoss heran

Durch Lavagestein stiefeln wir nahe an den Goðafoss heran

Fluss Skjálfandafljót nach dem Goðafoss

Fluss Skjálfandafljót nach dem Goðafoss

Grassodenhof Grenjaðarstaður

Grassodenhof Grenjaðarstaður

In der Nähe des Goðafoss liegt Grenjaðarstaður, ein Grassodenhof mit einer 1865 errichteten Kirche in Þingeyjarsveit. Das Gehöft stammt aus dem 19. Jahrhundert und war noch bis Mitte des letzten Jahrhunderts bewohnt.

Grenjaðarstaður dient heute als Museum

Grenjaðarstaður dient heute als Museum

Unsere sehr ländliche, abgeschieden liegende Unterkunft Staðarhóll ist direkt nebenan.

Unterkunft Staðarhóll

Unterkunft Staðarhóll

Der Gangschaltungshebel steht merkwürdig ab. Bei genauer Betrachtung sehe ich, dass eine Feststellschraube fehlt. So kann ich nicht weiterfahren. Da unsere Hütte auf einem Bauernhof liegt, frage ich nach, ob man mir aushelfen kann. In einer der Schraubensammlungen in der Scheune werde ich fündig, sodass ich den Hebel wieder fixieren kann – klasse.

Wir fahren noch mal los, um eine Flasche Wein zu kaufen. Der nächste Ort ist die 26 Kilometer entfernte Stadt Húsavik.
Schon bei der Annäherung an Húsavik kriecht uns ein deutlich wahrnehmbarer Fischgeruch in den Helm – ein untrügliches Zeichen dafür, dass auch dieser Ort neben dem Tourismus nach wie vor von Fischfang und –verarbeitung lebt.

Húsavik

Húsavik

Dieses Schild sehen wir täglich - auf freilaufende Schafe ist zu achten

Dieses Schild sehen wir täglich – auf freilaufende Schafe ist zu achten

Da wir zweimal in Staðarhóll übernachten, haben wir genügend Zeit für die Gegend um den Mývatn. Fünfzig Kilometer südlich von Húsavík liegt der See Mývatn mit seinen vielen kleinen Inseln und Buchten. Seinen Namen „Mückensee“ trägt er zu Recht, denn im Sommer sind riesige Schwärme dieser Plagegeister unterwegs, von denen die meisten aber nicht stechen.

Wir stoppen an einer Haltebucht, um ein Infoschild zu lesen. Die Kinnteile unserer Helme sind hochgeklappt, und wir wedeln einzelne Insekten beiseite. Dann plötzlich setzen sich diese Viecher überfallsartig auf uns, meine Motorradjacke ist dicht an dicht besetzt. Auch wenn sie nicht stechen, ist das eine höchst unangenehme Situation, aus der wir uns umgehend befreien sollten. Dabei bekommt das Motorrad beim hektischen Anfahren Übergewicht nach links, und wir drohen umzustürzen, schaffen es aber im letzten Moment durch Abstützen mit den Beinen und gemeinsames Hochdrücken des Lenkers noch, die Maschine wieder aufzurichten und kommen dann endlich hier weg. Um die Plagegeister an unseren Jacken loszuwerden, halten wir nach einigen hundert Metern erneut kurz an und schlagen sie mit den Handschuhen ab. Bloß weg hier!

Der Mývatn

Der Mývatn

Der See Mývatn ist vulkanischen Ursprungs, Islands viertgrößter Binnensee und liegt 278 Meter über dem Meeresspiegel. Der nur zweieinhalb bis viereinhalb Meter tiefe See wird überwiegend durch die zahlreichen Quellen auf dem Seegrund gespeist.

Das Mývatn-Gebiet liegt genau an der Grenze der auseinanderdriftenden eurasischen und amerikanischen Kontinentalplatten.

Pseudokrater von Skútustaðir

Pseudokrater von Skútustaðir

Die Pseudokrater von Skútustaðir auf Inseln und Halbinseln im See sind durch das explosive Zusammentreffen von Lava und Wasser entstanden. Manche der Pseudokrater haben einen Durchmesser von dreihundert Metern, aber sie besitzen im Unterschied zu „richtigen“ Vulkanen im Inneren keinen Schlot.

Vulkankegel ohne Schlot

Vulkankegel ohne Schlot

Die Mücken am Mývatn sorgen für einen reichen Fisch- und Vogelbestand

Die Mücken am Mývatn sorgen für einen reichen Fisch- und Vogelbestand

Höfði - Blick auf den Mývatn

Höfði – Blick auf den Mývatn

Der Zentralvulkan Krafla liegt in einem vierzig Kilometer langen Vulkansystem mit einem recht aktiven Vulkanismus.
Beim Mývatn-Feuer 1729 entgingen die Bewohner des Ortes Reykjahlíð nur knapp einer Katastrophe, als der Lavastrom ihre Häuser zerstörte, aber die Kirche auf dem Hügel, in die sie sich geflüchtet hatten, verschonte. Der bis heute kaum bewachsene Lavastrom ist noch gut zu erkennen. Die heutige Kirche wurde 1962 erbaut.

Kirche in Reykjahlíð, von aufgeschobenen Lavamassen umgeben

Kirche in Reykjahlíð, von aufgeschobenen Lavamassen umgeben

Der Vulkan Krafla erwachte 1975 zum Leben und sorgte bis 1985 für Eruptionen, deren Auswirkungen heute noch durch die vielen Lavafelder zu sehen sind.

Kilometerlange Lavafelder

Kilometerlange Lavafelder

Am Geothermalkraftwerk Bjarnarflagsstöð

Am Geothermalkraftwerk Bjarnarflagsstöð

Über die Ringstraße passieren wir die Passhöhe Námaskarð. Hier im Hochtemperaturgebiet auf der Westseite befindet sich Bjarnarflagsstöð, ein kleines Geothermalkraftwerk, das die Energie des Zentralvulkans Krafla nutzt. Bjarnarflagsstöð war das erste Geothermalkraftwerk Islands, gut zu erkennen an dem intensiv türkisfarbigen Überlaufsee, in dem die Leute früher, als er weniger heiß war, noch badeten. Heute weisen Warnschilder auf die hohen Wassertemperaturen hin, und das Baden ist hier inzwischen verboten.

Die Vulkaninsel Island ist das „gelobte Land“ der erneuerbaren Energien. Mit Hilfe von Erdwärme werden vier Fünftel aller Haushalte beheizt und mit Warmwasser versorgt. Elektrischer Strom wird fast ausschließlich durch Erdwärme und Wasserkraft erzeugt. Die vielen Flüsse, die aus den großen Gletschern ins Meer strömen, sind ein unerschöpfliches Energiereservoir.

Solfatarenfeld Hverarönd

Solfatarenfeld Hverarönd

Am Fuß des Berges Námafjall liegt das beeindruckende Solfatarenfeld Hverarönd. Das Naturschauspiel nimmt sofort unsere Sinne in Beschlag. Die vegetationslose Ebene und die Bergflanke leuchten in kräftigen Gelb-, Orange- und Brauntönen, und es erinnert an Bilder vom Mars.

Marslandschaft

Marslandschaft

Vulkanisch erhitzter, Schwefelwasserstoff durchsetzter Dampf dringt aus der Erde

Vulkanisch erhitzter, Schwefelwasserstoff durchsetzter Dampf dringt aus der Erde

Überall treten aus Spalten weiße Dampfsäulen aus, manche bahnen sich mit lautem Zischen und Fauchen ihren Weg an die Oberfläche.

Aus der Hexenküche

Aus der Hexenküche

Heiße Schlammtöpfe blubbern und brodeln vor sich hin, manche verspritzen ihre schlammige Brühe in die Umgebung. Und über allem liegt der Geruch von faulen Eiern.

Kochender Schlamm

Kochender Schlamm

Eine halbe Stunde später kommen wir an den Fluss Jökulsá á Fjöllum, der den nördlichen Teil des Gletschers Vatnajökull entwässert.

Selfoss

Selfoss

Das Wasser des Gletscherflusses stürzt zuerst über den Selfoss zehn Meter in die Tiefe und etwa einen Kilometer weiter über den 45 Meter hohen Dettifoss. Der Dettifoss ist zwar nicht besonders hoch, da aber gewaltige Mengen grauen Wassers donnernd und gischtend über die einhundert Meter breite Stufe in die Tiefe stürzen, gehört er zweifellos zu den eindrucksvollsten Wasserfällen der nördlichen Halbkugel.

Dettifoss

Dettifoss

Die Haare sind durchfeuchtet von der Gischt des Dettifoss, als wir die Helme aufsetzen.

Auf einigen Kilometern Piste fahren wir zurück zur Ringstraße

Auf einigen Kilometern Piste fahren wir zurück zur Ringstraße

Die Wolken reißen auf, und der Mývatn zeigt sich in besonders schönem Licht.

Auf dem Rückweg kommen wir nochmal an den Pseudokratern vorbei

Auf dem Rückweg kommen wir nochmal an den Pseudokratern vorbei

Wunderbare Landschaft am Mývatn

Wunderbare Landschaft am Mývatn

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