Kulturhistorische Stätten und atemberaubende Natur – für unseren letzten gemeinsamen Reisetag haben wir uns den Besuch des Golden Circle vorgenommen.
Haukadalur, das Tal mit einem Hochtemperaturgebiet im Bereich des aktiven Vulkansystem des Großen Geysirs, ist wohl Islands bekanntestes Geothermalgebiet.
Geologen schätzen das Alter des Stórigeysir, des Großen Geysirs, aufgrund von Sinterablagerungen auf mindestens 10.000 Jahre. In seinen besten Tagen schickte der Stórigeysir seine Wassersäule bis 60 Meter in die Höhe, begleitet von gespenstischem Grummeln im Boden. Von 1916 bis 1936 schlief der Geysir. Immer wieder gab es Versuche, das Naturschauspiel künstlich zu reanimieren, was der Naturschutzrat vor 25 Jahren verbot. Im Jahr 2000 sorgte dann ein Erdbeben dafür, dass der Stórigeysir wieder aktiv wurde, wenn auch nur mit kleinen Eruptionen in großen Abständen.
Allerdings sorgt der kleinere Geysir Strokkur, das „Butterfass“, zuverlässig alle paar Minuten für eine in den Himmel schießende Wassersäule, die zwischen zehn und zwanzig Meter hoch ist.
Faszinierend an den Eruptionen des Strokkur ist die Wasserglocke, mit der jeder Ausbruch beginnt und aus der heraus der Strahl aus Wasser und Dampf in die Höhe schießt.
Die Wasserglocke, die wir beim Strokkur gut beobachten können, besteht aus relativ kühlem Wasser, das oben im Schacht steht und zuerst herausgedrückt wird.
Die explosionsartige Ausdehnung von Wasserdampf presst die darüber stehende Wassersäule aus der Erde.
Durch Druckentlastung liegt die Wassertemperatur über dem Siedepunkt. Das überhitzte Wasser wird zu Dampf.
Im Thermalfeld Haukadalur gibt es noch zahlreiche andere Quellen, von denen einige vor sich hin brodeln, andere sind lauwarme Wasserpfützen. Vorsicht ist jedoch überall geboten, denn alle Quellen im Haukadalur sind seit dem letzten Erdbeben aktiver und vor allem heißer geworden, viele kochen unübersehbar.
Nach oft tagelangem Fahren in einsamsten Gegenden haben wir mit den vielen Tagestouristen aus Reykjavík im Golden Circle ein echtes Kontrastprogramm.
Das Wasser des Flusses Hvítá hat sich einen Fließweg durch eine Lavaspalte geschaffen und sich dort ein Flussbett gegraben. Über zwei gegeneinander versetzte Fallstufen stürzen die Wassermassen des Gullfoss in die bis zu 70 Meter tiefe Schlucht Gullfossgljúfur. Die höchste gemessene Wassermenge lag bei 2.000 Kubikmeter in der Sekunde. Mit dieser Wassermenge können 60 Transportcontainer in einer Sekunde befüllt werden – unglaublich! Es gibt Berichte über Wassermengen im Hvítá-Fluss, bei denen die Schlucht unterhalb des Wasserfalls bis obenhin mit Wasser gefüllt war.
Erdwärme beheizt auch zahlreiche Gewächshäuser, in denen man so viele Paprika, Gurken und Tomaten anbaut, dass diese Gemüsesorten nicht importiert werden müssen.
Nach einer Übernachtung in Flúðir fahren wir nochmal in den Nationalpark Þingvellir, diesmal ohne Regenmontur.
Der Fluss Öxará fließt durch den Þingvellir-Nationalpark und formt an der Almannagjá-Schlucht einen Wasserfall, den Öxarárfoss.
Islands größter natürlicher See, der Þingvallavatn, reicht mit seiner tiefsten Stelle von 114 Metern sogar bis unter den Meeresspiegel. Zwei seiner Inseln sind deutlich als ehemalige Vulkankegel zu erkennen. Der See entstand wie die Ebene von Þingvellir durch ein Absinken des Geländes. In seinen Tiefen besitzt er ergiebige Quellen.
Þingvellir bedeutet „Ebene der Volksversammlung“. Während der ersten Besiedlung liefen hier Reitpfade aus allen Landesteilen zusammen. Auf dem Þingplatz bei der Almannagjá-Schlucht wurde schon am Ende der Landnahme durch überwiegend norwegische Wikinger um 930 einmal im Jahr im Juni die traditionelle Versammlung Alþing abgehalten. Diese Versammlung hatte gesetzgeberische und gerichtliche Funktion. Das Alþing war eines der ältesten Parlamente der Welt und bestand bis 1798, dann lösten die Dänen es auf.
Es ist das erste Mal, dass wir für’s Parken bezahlen sollen. Der Parkplatz ist rappelvoll, sodass wir erstmal nach ganz vorne durchfahren und uns auf eine kleine Verkehrsinsel zwischen die Autos stellen. Der Parkscheinautomat nimmt unsere Kreditkarte nicht, sodass der nette Parkplatzaufseher, den wir ansprechen, meint, wir könnten die Parkgebühren im Visitor Center bezahlen. Als wir ihm erklären, dass wir ja keine klassische Windschutzscheibe haben, hinter die man den Parkschein gut sichtbar legen kann, meint er augenzwinkernd, er würde sich später schon an uns erinnern. Gut so, denn jetzt können wir ohne Umwege starten.
Kern des Þingvellir Nationalparks ist eine Senke über dem tektonischen Bruch, der die Driftzone der amerikanischen und der eurasischen Kontinentalplatte markiert. Diese Senke ist im Westen und Osten von je einer großen Abbruchspalte begrenzt. Die wegen ihrer historischen Bedeutung bekanntere Almannagjá (Allmännerschlucht) auf der amerikanischen Seite ist über den Aussichtspunkt Hakið gut zugänglich.
Wir stehen an der Abbruchspalte der Almannagjá, der Þingplatz unter uns, rechts der See Þingvallavatn, vor uns die weite Senke mit dem dicht bewachsenen Lavafeld Þingvallahraun und nach Norden hin die Berge am Rande des Hochlandes.
An diesem Ort und im weiteren Umfeld wird das Auseinanderdriften der amerikanischen und eurasischen tektonischen Platten durch imposante Felsspalten und Risse sichtbar.
Die Kontinentaldrift der Almannagjá und der Hrafnagjá macht sich an zwei messbaren Bewegungen bemerkbar: Die tektonischen Platten auf der amerikanischen und auf der eurasischen Seite entfernen sich pro Jahr knapp einen Zentimeter voneinander, und der Boden der Senke zwischen ihnen im Jahresdurchschnitt einen halben Zentimeter, in Extremfällen wie bei dem Erdbeben 1789 auch schon mal einen halben Meter in zehn Tagen. Dieser Boden liegt heute gut 40 Meter unter dem umgebenden Landschaftsniveau, mit dem er nach Ansicht von Geologen vor rund 9.000 Jahren noch plan war. Das Land beiderseits der Schlucht ist inzwischen um 70 Meter auseinandergedriftet.
Auf Nebenstrecken fahren wir in Richtung Reykjavík.
Über Reykjavík thronen auf einem Hügel diese Tanks, in denen bis zu 85 Grad heißes Thermalwasser gespeichert wird, das man für Heizzwecke nutzt, im Winter auch zur Beheizung von Fußwegen unten in der Stadt.
Über -zig Kilometer wird durch diese Rohre Fernwärme in die Hauptstadt gebracht.
Zurück in Reykjavík heißt es uns zu organisieren. Katrin packt ihren Reisekoffer, denn morgen muss sie in aller Frühe zum Flughafen. Den frei werdenden Platz in Motorradkoffer und blauer Rolle fülle ich mit den Sachen, die während unserer gemeinsamen Reise im Hotel in Reykjavík geblieben sind wie Zelt, Luftmatratze und Schlafsack.
Schade, dass der gemeinsame Urlaub schon zu Ende ist!
Ich werde nach einem weiteren Tag in Reykjavík in drei Tagestouren über die Nordküste in den Osten nach Seyðisfjörður fahren, um die Fähre nach Dänemark zu nehmen.