Es ist März 2018, als ich mich mit dem Motorrad von Celle nach Barcelona aufmache. Hier nehme ich die Fähre nach Port Tanger. Zwei Tage nach meiner Ankunft kommt Katrin mit dem Flieger und ihren Motorradklamotten, und unsere Marokko-Rundreise beginnt.
Mit Panoramablick auf das Mittelmeer übernachten wir im Hotel Continental in der Medina Tanger. Das Gebäude aus dem 19. Jahrhundert gehört zum nationalen Kulturerbe und birgt schöne Lounges im marokkanischen Stil mit traditionellen Mosaikfliesen.
Unsere Fahrt durch das Riffgebirge führt uns zu einem der hübschesten Städtchen Marokkos: Chefchaouen, ein künstlerisches, blau gestrichenes Bergdorf, das eine Welt für sich ist.
Durch das historische Tor Bab El-Ain, erbaut Ende des 15. Jahrhunderts, betreten wir die Medina. Sie ist klein und menschenleer und dadurch leicht zu erkunden. Die marokkanisch-andalusischen Einflüsse sind unverkennbar: Viele Gebäude in den schmalen Gassen sind in blendendem Blau-Weiß gestrichen und haben rote Ziegeldächer.
Die Kasbah ist eine umfangreich restaurierte, von Mauern umgebene Festung, die heute einen Garten beherbergt. Der kopfsteingepflasterte Platz davor verfügt über viele Cafés und Restaurants, die aber bei dem immer noch regnerischen Wetter wenig einladend für uns sind.
Die fruchtbaren Ebenen im Norden dienen seit Jahrhunderten als Kornkammer des Landes.
Zweihundert Kilometer südlich Chefchaouen gründeten die muslimischen Dynastien eine der prächtigsten Städte Marokkos: Fès.
Einst kleine Berberstadt hat Fès in ferner Vergangenheit unzählige Gelehrte, Künstler und Imame hervorgebracht und gilt mit heute fast anderthalb Millionen Einwohnern als Kulturhauptstadt des Landes.
Die von einer Mauer umgebene orientalische Altstadt steht seit 1981 als Weltkulturerbe unter dem Schutz der UNESCO.
Das tiefe Blau der Keramik gilt als Wahrzeichen von Fès.
In das Labyrinth der uralten Medina, von dem bis heute kein Plan existiert, einzutauchen fällt uns mit einer Führung leichter. In unserer Unterkunft vermittelt man uns eine Englisch sprechende Einheimische, die sich, wie wir unterwegs immer wieder feststellen, großer Anerkennung der dort Lebenden erfreut. Sie trägt traditionelle Kleidung, aber kein Kopftuch und lebt selbst auch in der Medina.
Noch immer leben in der dunklen, eng bebauten und teilweise baufälligen Medina, die bis heute das größte autofreie Stadtgebiet der Welt ist, 70.000 Menschen.
Wie im Mittelalter ziehen Esel und Maultiere Lastenkarren durch das Labyrinth der Gassen.
Von Sonnenaufgang bis zum Einbruch der Dunkelheit sind die Menschen unterwegs. Zu den unzähligen kleinen, offenen Geschäften rechts und links des unübersichtlichen Gewirrs aus Verbindungspfaden, die sich kilometerweit durch die Medina ziehen; zu den Töpfereien, Schneidereien, Lederläden, Scherenschleifern, Schmuckverkäufern, Färbern, Schlachtern, Webern, Süßigkeitenverkäufern, Bäckern, die den Ofen anheizen, damit die Leute ihren selbst gemachten Teig backen können.
Es gibt eine Regierungsinitiative, um die Medina zu sanieren und ihre frühere Pracht wieder aufleben zu lassen.
In der Medina gibt es zwei Religionsschulen aus dem 14. Jahrhundert, die mit aufwendigen Zedernholzschnitzereien und kunstvollen Fliesen verziert sind.
Die Qarawīyīn-Moschee, ein Komplex, der eine der größten Moscheen Afrikas und eine der ältesten Universitäten weltweit beherbergt, liegt inmitten der Medina. Baubeginn war 859; im Laufe der Jahrhunderte sind die Straßen und Häuser des Viertels so nah herangerückt, dass man die eigentliche Form nicht mehr erkennen kann. Nichtmuslime dürfen den Komplex nicht betreten, und so müssen wir uns mit einem Blick in den Innenhof begnügen.
Im Gerberviertel stehen Männer mit nackten Beinen wie vor Jahrhunderten knietief in großen gemauerten Bottichen in bräunlicher Brühe, um über Stunden in gebückter Haltung die Haare unzähliger Kuh- und Schaffelle mit Taubenmist, Kalk und anderen Zutaten zu entfernen. Nach vielen weiteren Arbeitsschritten in Jahrhunderte alter Handwerkstradition werden daraus Lederwaren gefertigt.
Auf verschlungenen Wegen bringt uns unser Guide zurück zur Hauptgasse und zeigt uns, wie wir weitergehen müssen, denn sie möchte den kurzen Weg nach Hause nehmen. Das ist in Ordnung, und schon nach kurzer Zeit sehen wir das Blaue Tor, durch das wir die Medina verlassen.
Das College Moulay Idriss, eröffnet 1914, ist eine der größten und ältesten öffentlichen Bildungseinrichtungen des Landes. Hier kann man sogar sein Abitur im Fach Deutsch machen.
Auf dem Weg zurück zur Unterkunft genießen wir den unverbauten Blick nach oben, indem wir trotz müder Füße einen kleinen Schlenker durch den Park mit seinem alten Baumbestand machen.