Am 16. Juli 2018 starten wir gemeinsam unsere Baltikum/Polen-Tour.
Die Fähre von Kiel nach Klaipėda legt um 21 Uhr ab, sodass wir uns für die Fahrt nach Kiel Zeit lassen.
Es sind einige Motorradfahrer, die mit uns an Bord gehen. Die Schlaufen, die ich am Motorrad anbringe, damit es vernünftig gelascht werden kann, nutzen die Arbeiter gern, und schließlich ist die Maschine gut gegen jegliche Bewegungen gesichert.
Mit Dinner- und Frühstücksbuffet und Übernachten in einer Zweibettkabine verbringen wir eine angenehme 20-stündige Überfahrt bis Klaipėda.
Es regnet, als wir anlegen, sodass wir noch auf der Fähre die Regenklamotten anziehen – angenehm geht anders, denn es ist ziemlich warm!
Bei der Einfahrt in die Kurische Nehrung wird für alle Fahrzeuge eine Straßenbenutzungsgebühr als Umweltschutzabgabe erhoben, die für’s Motorrad fünf Euro beträgt.
Während der fünfzig Kilometer nach Nida wird es trotz der frühen Abendzeit zunehmend dunkler, sodass entgegenkommende Autos von Tagfahrlicht auf Abblendlicht umgeschaltet haben. In der Ferne zucken Blitze über der schmalen Straße, die durch enge Bewaldung führt, und trotz der Helme und des Motorengeräusches nehmen wir den lauter werdenden Donner deutlich wahr. Der Himmel öffnet seine Schleusen, und nun sind wir froh, die Regensachen nicht wieder ausgezogen zu haben.
Endlich erreichen wir Nida, und mithilfe einer freundlichen Anwohnerin, die unsere Vermieterin anruft, bekommen wir auch endlich den Schlüssel für unsere Ferienwohnung der folgenden zwei Tage.
Die Kurische Nehrung ist eine 98 Kilometer lange, 400 Meter bis 3,8 Kilometer breite, sanft gebogene Landzunge, die das Kurische Haff seit 10.000 Jahren von der Ostsee abriegelt.
Der Name leitet sich von den Kuren ab, einem baltischen Stamm, der seit dem 13. Jahrhundert hier vom Fischfang lebte. Ihre Kähne waren breite, flache Segelboote aus schwerem Eichenholz, an deren Masten die hölzernen Kurenwimpel angebracht waren. Die geschnitzten bunt bemalten Wimpel zeigten den Wind an und machten den Heimatort der Fischer weithin sichtbar.
Bereits im Mittelalter begann man, die Wälder für Schiffbau und Brennholz abzuholzen. Nun gab es für den Sand kein Halten mehr: die Dünen wanderten und begruben zwischen dem 16. und dem 19. Jahrhundert 14 Dörfer unter sich. In der Folge wurden Kiefern angepflanzt und Vordünen angelegt. Heute sind mehr als 70 Prozent der Nehrung bewaldet und schützen die Dörfer, die alle am ruhigeren Haff liegen, vor einer Versandung.
Während der Sowjetzeit war die Nehrung nur der kommunistischen Parteispitze und ihren Angehörigen zugänglich. Heute gehört sie zur Hälfte zu Litauen und zur anderen Hälfte zu Russland. Die Grenze verläuft kurz hinter Nida, das seit dem 16. Jahrhundert dreimal versandet und wieder neu aufgebaut wurde. Von der 52 Meter hohen Parnidis-Düne, einer der größten Wanderdünen Europas, ist gut zu sehen, wie Grenzsoldaten sich darum bemühen, dass die EU-Außengrenze nicht im Sand verläuft …
Den zwei Kilometer langen Rückweg nach Nida legen wir an der Straße zurück. Den Coffee-to-go aus einem Pkw kennen wir aus St. Petersburg bereits, aber ein Smart als Verkaufsstand toppt das nochmals.
Das Thomas-Mann-Haus an Nidas Ortseingang zeigt eine interessante Ausstellung über das Leben und Werk des Schriftstellers. 1929 ließ der Nobelpreisträger dieses Feriendomizil errichten, in dem er mit seiner Familie die folgenden drei Sommer verbrachte. Unter dem reetgedeckten Dach mit weitem Blick über das Haff schrieb er „Joseph und seine Brüder“.