Tallinn

Die gut 300 Kilometer von Rīga nach Tallinn sind begleitet von zahlreichen Blitzern, die erfolgreich das Einhalten der 90 km/h sichern.
Da fährt man so gemütlich dahin, und dann ist man plötzlich in Estland.

Grenze Lettland - Estland

Grenze Lettland – Estland

Wir möchten eine Teepause einlegen, um einen Blick auf die Rīgaer Bucht zu werfen. Unbefestigte schmale Wege führen uns dorthin, und wir erwischen prompt den falschen. Als wir in einer Einfahrt drehen wollen, kommt schon von weitem der Hofhund auf uns zugeschossen – freundlich sieht er dabei nicht aus. Daher entfällt das Wenden zugunsten der Einfahrt in einen kleinen geschotterten Weg, der uns schließlich – und ohne näheren Kontakt mit dem wachenden Hund – an unser gewünschtes Ziel bringt.

An der Rīgaer Bucht

An der Rīgaer Bucht

Nicht nur auf Hofhunde ist hier zu achten ...

Nicht nur auf Hofhunde ist hier zu achten …

Nachmittags erreichen wir Tallinn.
Die von mächtigen Mauern umschlossene Altstadt, zu der der Domberg und die Unterstadt gehören, wurde 1997 zum UNESCO Weltkulturerbe erklärt.

Johanniskirche am Freiheitsplatz

Johanniskirche am Freiheitsplatz

Freiheitsplatz

Freiheitsplatz

Der Weg führt uns über den Freiheitsplatz, der der Unabhängigkeit Estlands gewidmet und ein eher nicht so schöner Zugang zur Altstadt ist. Die 27 Meter hohe Säule mit einem Kreuz ist ein Denkmal für den Unabhängigkeitskrieg 1918 bis 1920. Sie wird nachts von Tausenden kleinen LED-Lampen von innen beleuchtet.

Modernes Denkmal am Freiheitsplatz

Modernes Denkmal am Freiheitsplatz

Ein Lehramtsstudent, an dessen Stadtführung wir teilnehmen, äußert sich überaus kritisch zu dem Denkmal. Es sei ständig verhüllt, da durch eingetretenes Wasser Schäden verursacht seien, die monatliche Wartungskosten in Höhe von 5000 Euro verschlingen – unglaublich!

St. Nikolaikirche

St. Nikolaikirche

Die St. Nikolaikirche aus dem 13. Jahrhundert ist heute als Museum der Kirchenkunst gewidmet. Die im Bombenhagel von 1944 zerstörte Kirche wurde erst in den 1980er Jahren wieder aufgebaut.

Durch mittelalterliche Gassen schlendern

Durch mittelalterliche Gassen schlendern

Unweit treffen wir auf das Rathaus in steil aufragender spätgotischer Architektur.

Rathaus

Rathaus

Das Zentrum der Unterstadt bildet der Rathausplatz, der sich im mittelalterlichen Gassengewirr mit erstaunlicher Weite öffnet. Dominiert wird er vom Rathaus; Blickfang an der weitgehend schmucklosen Fassade sind zwei kuriose Wasserspeier, Furcht erregende Drachen, die unvermittelt aus der Mauer vorstoßen, als wollten sie zuschnappen.

Drachenförmiger Wasserspeier

Drachenförmiger Wasserspeier

Historische Ratsapotheke

Historische Ratsapotheke

Auf der anderen Seite des Rathausplatzes entdecken wir die 1422 erstmals urkundlich erwähnte und zweitälteste durchgängig betriebene Apotheke Europas, die Ratsapotheke (die älteste Apotheke soll sich in Dubrovnik befinden). Die Ratsapotheke war von 1583 an über drei Jahrhunderte im Besitz der ungarisch stämmigen Familie Burchart; jeweils der erstgeborene Sohn der Familie erhielt den Namen Johann und erbte die Apotheke. Die Rezepturen dieser Apotheke waren über Estlands Grenzen hinaus berühmt. Bis heute braut man hier einen Gewürzwein, der heiß getrunken angeblich jede Erkältung verjagt.

Mägdeturm in der Stadtmauer

Mägdeturm in der Stadtmauer

1,9 Kilometer der ehemaligen Stadtmauer sind noch erhalten und machen Tallinn zu einer Stadt mit den besterhaltenen mittelalterlichen Verteidigungsanlagen Europas.

Kiek-in-de-Kök

Kiek-in-de-Kök

Der 50 Meter hohe, massive Kiek-in-de-Kök genannte Wehrturm am Abhang des Domberges wurde 1475 errichtet. Aus dem Plattdeutschen übersetzt heißt er „Guck in die Küche“, denn die wachhabenden Soldaten hatten von oben die Küchen der Häuser in der Unterstadt im Blick. Sie kontrollierten beispielsweise, ob die Feuer der Kochstellen bei Einbruch der Dunkelheit vorschriftsmäßig gelöscht wurden.
Der Turm ist auch der Eingang zu einem System versteckter Tunnel, die unter der alten Bastion auf dem Domberg verlaufen. Sie wurden im 17. Jahrhundert angelegt und im Zweiten Weltkrieg wieder genutzt.

Tallinns Schloss

Tallinns Schloss

Mehr Aufmerksamkeit als das blassrosa Schloss auf dem Domberg zieht die Alexander-Newskij-Kathedrale auf sich, die 1894 am Schlossplatz errichtet wurde. Die mächtige Fünf-Kuppel-Architektur wirkt wie ein Tusch für Russland – ganz im Sinne des damaligen Auftraggebers Zar Nikolaj II.

Alexander-Newskij-Kathedrale

Alexander-Newskij-Kathedrale

Das Barockschloss, im Auftrag der russischen Zarin Katharina II. erbaut, ist heute Sitz von Estlands Parlament und Regierung. Jeden Morgen bei Sonnenaufgang wird die estnische Flagge auf dem Turm zu den Klängen der Nationalhymne gehisst.

Die Melodie der Nationalhymne entspricht übrigens der der finnischen, und augenzwinkernd erzählt der Student, dass bei sportlichen Erfolgen der Finnen, bei denen die finnische Nationalhymne gespielt wird, sich die Esten leicht vorstellen könnten, es wäre ihr sportlicher Erfolg …  😉

Die deutsche Botschaft liegt direkt gegenüber der Alexander-Newskij-Kathedrale

Die deutsche Botschaft liegt direkt gegenüber der Alexander-Newskij-Kathedrale

Domkirche zu St. Marien

Domkirche zu St. Marien

Der Domberg wird beherrscht von der 800 Jahre alten Domkirche zu St. Marien, die eine schmucklose Fassade hat. Sie ist der Hauptsitz der evangelischen Kirche Estlands und diente einst den Adligen von Tallinn.

Unvermittelt befinden wir uns auf der Aussichtsplattform Kohtuotsa, die wir ohne die Führung vermutlich nicht gefunden hätten, da sie in einer Nische liegt. Die Unterstadt liegt in voller Ausdehnung zu unseren Füßen – ein atemberaubender Ausblick!

Blick auf die Stadtbefestigung und die St. Olaikirche, dahinter der Finnische Meerbusen

Blick auf die Stadtbefestigung und die St. Olaikirche, dahinter der Finnische Meerbusen

Der Grundstein für die St. Olaikirche wurde 1267 gelegt. Der Heilige Olaf als Namensgeber galt in Nordeuropa als Schutzpatron der Seefahrer. Als der Turm im Jahr 1500 fertiggestellt war, ragte er 159 Meter in den Himmel – damals einsame Spitze in Europa und bis ins 19. Jahrhundert das höchste Bauwerk Tallinns. Er hatte als Landmarke praktischen Nutzen für die Navigation, symbolisierte darüber hinaus aber Ruhm und Macht der mittelalterlichen Hansestadt. Nach einem Brand 1820 wurde der Turm um 26 Meter niedriger wieder aufgebaut.

Vor dem Torturm in der steilen Gasse Pikk jalg

Vor dem Torturm in der steilen Gasse Pikk jalg

Der Weg vom Domberg in die Unterstadt führt durch das älteste, in seiner Form von 1380 erhaltene Stadttor im Torturm und die steile Gasse Pikk jalg zwischen den Mauern der Ober– und Unterstadt.

Orthodoxe Kirche zu St. Nikolai

Orthodoxe Kirche zu St. Nikolai

Vorbei an der orthodoxen Kirche zu St. Nikolai gelangen wir zu den Drei Schwestern in der Straße Pikk.

Die Drei Schwestern

Die Drei Schwestern

Das barocke Häuserensemble der Drei Schwestern, das 1362 als Handelskontor errichtet wurde, ist heute ein Fünf-Sterne-Hotel, in dem angeblich bereits Elisabeth II. sowie der japanische Kaiser Akihito residiert haben sollen.

Große Strandpforte

Große Strandpforte

Am Ende der Straße bilden zwei miteinander verbundene Türme zur Seeseite hin die Große Strandpforte.
Der Wehrturm, die Dicke Margarethe, weist einen Durchmesser von 24 Metern und eine Mauerstärke von 4,7 Metern auf und wurde im frühen 16. Jahrhundert nicht nur zu Verteidigungszwecken gebaut, sondern auch, um all jene zu beeindrucken, die sich Tallinn über das Meer näherten.

Die Dicke Margarethe

Die Dicke Margarethe

Vor der begehbaren Stadtmauer

Vor der begehbaren Stadtmauer

Der Teil der Stadtmauer, der für die Öffentlichkeit zugänglich ist, verbindet die Türme Nunna, Sauna und Kuldjala.

Haus der Großen Gilde

Haus der Großen Gilde

Das Gildehaus der Großen Gilde von 1410 mit seiner schlichten Fassade errichteten dieselben Baumeister, die auch das Rathaus bauten. Einflussreiche Fernkaufleute waren hier zusammengeschlossen. Mitglied konnte nur werden, wer verheiratet, wohlhabend und Kaufmann oder Goldschmied war und ein Haus besaß. Die Große Gilde gab es  von 1325 bis 1920.

Gildehaus der Kanuten

Gildehaus der Kanuten

Die Kanutigilde war ursprünglich eine geistliche Bruderschaft und wurde später zur Vereinigung elitärer Handwerker Tallinns. Es gab sie ebenso lange wie die Große Gilde.

Schwarzhäupterhaus

Schwarzhäupterhaus

Eingang mit Wappen der Schwarzhäupter

Eingang mit Wappen der Schwarzhäupter

Das Haus der Schwarzhäupter war das Zentrum der unverheirateten Tallinner Kaufleute. Über dem Eingang prangt das Wappen der Bruderschaft mit dem Haupt des Heiligen Mauritius; der afrikanische Märtyrer ist der Schutzheilige der Gilde.

Am Grünen Markt

Am Grünen Markt

Bei dem Grünen Markt handelt es sich um eine der wenigen Grünanlagen in der dicht bebauten historischen Altstadt. Bis Ende des 19. Jahrhunderts wurde hier Markt abgehalten.

Ehemaliges KGB-Gebäude

Ehemaliges KGB-Gebäude

Seit 1940 befand sich in diesem Gebäude die estnische Unterabteilung für Staatssicherheit, die Regimekritiker inhaftierte und verurteilte. Das Gefängnis wurde bis in die 1950er Jahre genutzt. Besucher erleben eine bedrückende Reise in die Zeit des kommunistischen Terrors.

Nationaloper Estlands

Nationaloper Estlands

Auf dem Weg zurück in unsere Unterkunft kommen wir an dem Opern- und Konzerthaus vorbei.
Nach elf Kilometern auf Schusters Rappen schließen wir unseren Tallinnbesuch ab – morgen geht es weiter nach Tartu.

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