Oʻzbekiston Respublikasi (2)

Als ich nach zwei Tagen Bukhara frühmorgens verlasse, ahne ich nicht, dass ich eine 123-Kilometer-Strecke vor mir habe. Es geht über Vobkent und Kiziltepa bis nach Navoi. Denn entweder sind in den Orten keine Unterkünfte oder die Hotels sind geschlossen oder nicht für Touristen;  in Hotels für Einheimische hat man keine Möglichkeit, sich als Gast registrieren zu lassen, was hier gesetzlich vorgeschrieben ist.

Andreas

Andreas aus Ratingen

Unterwegs treffe ich Andreas; er berichtet, dass in wenigen Kilometern ein Vier-Sterne-Hotel kommt, das allerdings dauerhaft geschlossen ist. Auch er ist auf der Suche nach einer Unterkunft, fährt aber in die entgegengesetzte Richtung.

Für diese Wahnsinnsstrecke werde ich entschädigt. In Navoi ist ein Superhotel mit Sauna und Massage, die ich mir für 10.000 So’m gönne. Anschließend schickt mich die Masseurin noch in die russische Sauna; die ist nicht so sehr heiß, und statt elektrischer Beleuchtung steht nur ein Kerzenlicht darin. Zweige werden angefeuchtet, und die Masseurin schlägt mir damit auf Rücken, Gesäß und Beine. Anschließend werden mir, nachdem sie die Zweige erneut in Wasser eingetaucht hat, diese auf den Körper gelegt. Nun wird es richtig heiß, ähnlich wie bei einem Saunaaufguss! Anschließend werde ich zum Schwimmen geschickt. Danach bin ich fertig für‘s Abendessen und Schlafen!

Am nächsten Tag gibt es im 100 Kilometer entfernten Kattakurgan dasselbe Problem: ein Hotel ist vorhanden, aber nicht für Touristen.  Freundliche Menschen helfen mir weiter, und ich komme in einer privaten Unterkunft unter. Dort übernachte ich im ehemaligen Kinderzimmer, und das Essen wird mit der Familie eingenommen. Die Dusche darf ich als Gast mitbenutzen. Hier steht ein Ofen, der für heißes Wasser sorgt. Und beim Duschen wird die Temperatur ganz individuell eingestellt:  Ich mische in einer Kelle das kochend heiße Wasser aus einem Becken neben dem Ofen mit kaltem Wasser aus einer Schüssel und schütte es über meinen Kopf. Diese Vorgehensweise muss mehrfach wiederholt werden … – das ist Landeskunde hautnah!

Kattakurgan-Familienunterkunft

Bei dieser netten Familie in Kattakurgan übernachte ich.

Auf dem Weg nach Samarqand springt mir zum ersten Mal die Kette ab, und die Rohloff-Nabe scheint linksseitig Öl zu verlieren. Ich trage das Fahrrad in den Schatten, nehme die Packtaschen ab und habe sofort fünf  erwachsene Männer als „Helfer“ zur Seite.  Einer von ihnen packt tatsächlich mit zu und hilft mir. Der Chainglider muss ab, die Kette auf das Kettenblatt gelegt und das Hinterrad leicht nach hinten versetzt werden, um die Kette zu spannen. Anschließend ziehe ich meine Einmalhandschuhe aus. Mein Helfer sieht leider aus wie Ferkel, obwohl er sich die Hände notdürftig mit Gras reinigt. Trotzdem bedanke ich mich bei ihm natürlich per Handschlag, wie es sich gehört.

Leckage-an-Rohloffnabe

Leckage an Rohloff-Nabe

In Samarqand wohne ich in einem Hotel mit Innenhof, wo ich mit vielen Menschen ins Gespräch komme.

Innenhof-Samarqand

Innenhof im Hotel in Samarqand

Da ich am Vortag  in Kattagurgan keine Registrierung bekommen habe, was mir leider bereits schon zweimal passiert ist, bescheinigt man mir hier freundlicherweise einen weiteren Tag den Aufenthalt. Das ist sehr gut, denn andernfalls könnte ich bei der Ausreise Probleme bekommen. Ausländer müssen sich nämlich innerhalb von drei Tagen bei der Verwaltung für Ein-/Ausreise und Staatsbürgerschaft des jeweiligen Stadtbezirks anmelden. Bei Einreise mit einem Touristenvisum wie meins kann eine Registrierung nur über Hotels erfolgen, und der Registrierungsbeleg muss bei der Ausreise vorgelegt werden. Die Einhaltung der melderechtlichen Vorschriften wird von den zuständigen usbekischen Behörden offensichtlich penibel überprüft, und die Mindeststrafe bei Missachtung der Vorschriften beträgt angeblich 700,- €. Hoffentlich werden mir da die zwei fehlenden Nachweise nicht zum Verhängnis …

Abends sitze ich im Innenhof und skype mit Katrin. Ich bin unglaublich durstig und frage die Bedienung, wo ich ein Bier kaufen kann, denn in dem Hotel gibt es keins. Daraufhin telefoniert sie mit ihrem Bruder, der mir nur drei Minuten später ein herrlich kühles Bier vorbeibringt, das er irgendwo gekauft hat. Wie klasse!

Teppichpflege-in-Usbekistan

Typische Teppichreinigung auf der Straße

Die Oasenstadt Samarqand hat gut 350.000 Einwohner. Gegründet Ende des 14. Jhrd. v. Chr. zählt sie zu den ältesten Städten der Welt. Unter islamischer Herrschaft florierte die Stadt, bis auch sie dem zerstörwütigen mongolischen Eroberer Dschingis Khan 1220 in die Hände kam. Gut 150 Jahre später machte der damalige mongolische Herrscher Samarqand zur Hauptstadt seines Großreichs.
1868 kam die Stadt offiziell unter russische Herrschaft. 1925 wurde sie zur ersten Hauptstadt der neu geschaffenen Usbekischen Sozialistischen Sowjetrepublik, verlor diese Funktion jedoch 1930 an Taschkent. Seit 1991 gehört Samarqand zur unabhängigen Republik Usbekistan, deren viertgrößte Stadt sie ist. Einige der großartigsten Zeugnisse islamischer Architektur sind hier zu finden.

Bibi-Khanum-Moschee

Bibi Khanum Moschee

Erbaut wurde die Moschee Bibi Khanum von 1399 bis etwa 1404. Sie war eine der größten und prächtigsten Moscheen der islamischen Welt. Bis Ende des 20. Jahrhunderts war von ihr nur noch eine grandiose Ruine erhalten geblieben, doch dann begann die usbekische Regierung mit der Wiederherstellung der drei Kuppelbauwerke und des Paradeportals.

Blick-von-Bibi-Khanum-Moschee

Blick von Shahi Sinda auf Samarqand

Shahi-Sinda, ,,Der lebende König“,  ist eine der bekanntesten Begräbnisstätten in Zentralasien. Der Name wird mit einer Sage verbunden, wonach der Cousin des Propheten Mohammed hier begraben liegt. Das Shahi-Sinda Ensemble wurde vom 11. bis zum 19. Jahrhundert ausgebaut und verfügt heute über mehr als 20 Gebäude.

Schahi-Sinda

Shahi Sinda

Shahi-Sinda-Kuppeln

Vor den Shahi Sinda Kuppeln

Das Gur-Emir-Mausoleum mit der hohen melonenförmigen Kuppel wurde Ende des 14. Jahrhunderts erbaut. Die Kuppel ist mit 64 gleichmäßigen Rippen versehen;  jede Rippe soll für ein Lebensjahr Mohammeds stehen. Glasierte Fliesen in türkis und kobalt, aber auch violett und orange wurden verwendet, aber aus größerer Entfernung wirkt die Kuppel blau. Je nach Tageszeit und Lichteinfall ändern sich die Schatteneffekte und die Farbnuancen, die durch die Rippen hervorgerufen werden.

Gur-Emir-Mausoleum

Gur Emir Mausoleum

Gur-Emir-Mausoleum2

Vor dem Gur Emir Mausoleum

Der Registan, einer der prächtigsten Plätze Mittelasiens, ist das Herz des antiken Samarqands. Er wird bestimmt durch das Ensemble von drei Madrasa (Koranschulen) und gilt als einzigartiges Beispiel der Kunst des Stadtbaus. Während ich hier bin, werden Vorbereitungen für ein Festival getroffen.

Prächtiger-Platz-Registan

Registan mit Sher-Dor-Madrasa

Registan-Festival-Vorbereitungen

Registan – Festival Vorbereitungen

Registan Kuppel

Registan – Minarett und Kuppel der Sher-Dor-Madrasa

Beeindruckende-Registan-Kuppel-von-innen

Beeindruckende Innenansicht einer Kuppel

Diese Stadt ist überwältigend! Dennoch will ich – wie immer – nach zwei Tagen weiterfahren, muss aber unerwartet umdisponieren. Abends bekomme ich Fieber und bin froh, das Bad, in dem ich in dieser Nacht mehr Zeit verbringe als im Bett, am Zimmer zu haben. Also bleibe ich einen weiteren Tag. Man versorgt mich tagsüber mit Reis und schwarzem Tee. Abends bekomme ich Kartoffelbrei, etwas Gemüse und ein ganz klein wenig Hackfleisch. Leckere Melone und Salat verweigert mir die Bedienung, weil das ihrer Meinung nach nicht gut für mich ist. Man kümmert sich hier geradezu liebevoll um mich.
Am nächsten Morgen fühle ich mich wieder halbwegs fit und mache mich auf den Weg ins gut 100 Kilometer entfernte Jizzakh, wo ich übernachte, und von dort aus über weitere 120 Kilometer nach Gulistan.

Auf der 120-Kilometer-Etappe nach Tashkent begegne ich einem Chinesen, der zu Fuß mit Rucksack von Peking unterwegs ist nach Samarqand. Er interessiert sich für meine Karte in der Lenkertasche und möchte einen Blick hineinwerfen, macht auch Fotos,  um sich künftig besser orientieren zu können, denn eine eigene Karte hat er nicht.  Je weiter östlich ich komme, desto ungewöhnlicheren  Menschen scheine ich zu begegnen.

Chinese-zu-Fuß-aus-Peking

Backpacker aus Peking zu Fuß unterwegs

Heute gibt es mehrere Passkontrollen. Von einer vierspurigen Straße verjüngt sich die Fahrbahn auf jeweils eine Spur. Das habe ich schon mehrfach erlebt, wurde aber bislang immer freundlich durchgewunken. Anders heute:  Bei der ersten Kontrolle holt mich ein Polizist aus der Warteschlange, will das Übliche wissen, woher ich stamme, wohin ich will,  fragt nach meinem Namen und stellt sich selbst auch vor. Am Schluss verabschiedet er sich per Handschlag von mir; immerhin kennen wir uns ja jetzt.
Gute zwei Stunden später treffe ich auf eine weitere Kontrolle; dieser Polizist  ist offenbar ziemlich schlechter Laune, und er brüllt seine Mitarbeiter an. Er verlangt von mir meinen Pass und will zusätzlich eine Kopie, die ich ihm natürlich nicht gebe. Daraufhin verschwindet er mit meinen Pass in ein Nebengebäude, macht möglicherweise selbst die gewünschte Kopie, dann kann ich endlich weiterfahren.

Juma-Moschee

Juma Moschee in Taschkent

Ich komme erst am Abend in Taschkent,  Usbekistans Hauptstadt mit mehr als 2 Millionen Einwohnern, an. Sie liegt nördlich der großen Seidenstraße an der Grenze zu Kasachstan.
Taschkent entstand im 2. Jahrhundert v. Chr. und wurde – wie  viele Städte hier – auch 1220 von Dschingis Khan erobert; allerdings zerstörte er die Stadt nicht, sondern gliederte sie in sein Reich ein.
Natürlich wurde Taschkent viel später auch von russischen Streitkräften erobert. Von 1930 bis 1945 gab es zwei sowjetische Besserungsarbeitslager mit mehr als 36000 Internierten, die unter anderem Zwangsarbeit in der Baumwollproduktion leisteten. Ein  Kriegsgefangenenlager für deutsche Kriegsgefangene des Zweiten Weltkriegs lag ebenfalls in Taschkent.
1966 wurde die Stadt bei einem Erdbeben sehr stark zerstört. Dies gab den Stadtplanern die Möglichkeit, ihre Vision einer Stadt mit sowjetischer Modernität in Asien umzusetzen. Dabei wurden auch nur leicht beschädigte Gebäude der traditionellen Viertel abgerissen. Verkehrswege wurden neu organisiert, Straßen verbreitert, Parks erweitert sowie eine U-Bahn und höhere Gebäude als zuvor gebaut. Der Stadt kam umfangreiche und schnelle Hilfe von Partei und Regierung in Moskau zugute. Das ursprüngliche Stadtbild aber war unwiederbringlich zerstört.
Am 31. August 1991 wurde in Taschkent die Unabhängigkeit Usbekistans ausgerufen, und die Stadt wurde zur Hauptstadt des neuen Staates. Seither wird renoviert und umgebaut, um das Bild eines mächtigen Regierungszentrums für einen modernen unabhängigen Staat zu schaffen.

Basar-Halle

Basar in Taschkent

Gewürze-im-Basar

Gewürzstände verbreiten ungewohnte Düfte und Gerüche

Kulkedash-madrasa

Kulkedash Madrasa

Innenhof-kulkedash-madrasa

Innenhof der Kulkedash Madrasa

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Innenhof mit Schmuckbalken

verzierter-Balken

Reiche Schnitzereien

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Khast Iman Moschee

Khast-Imam-Moschee1

Auf dem Gelände der Khast Iman Moschee

Nach nur 20 Kilometern komme ich an die usbekisch-kasachische Grenze. Die zwei fehlenden Übernachtungsnachweise beschäftigen mich, aber ich werde schnell von meinen Gedanken abgelenkt.
An der Grenze ist es so was von voll! Etwa 80 Leute sind vor mir, aber ich werde unverzüglich durch eine Menschengasse nach vorne durchgewunken. Mein sämtliches Gepäck ist abzunehmen und auf ein Gepäckband zu legen, wo es durchleuchtet wird. Auch zur Passkontrolle holt man mich sofort nach ganz vorn, an allen vorbei. Der freundliche Zollbeamte füllt ein Formular für mich aus, das ich bereits von der Einreise kenne. Man trägt die Geldmenge ein, die man mit sich führt. Ich werde mit keiner Silbe nach den Unterkünften gefragt … – puh! Man ist sehr zuvorkommend, und ich erhalte meinen Ausreisestempel.

13 Gedanken zu „Oʻzbekiston Respublikasi (2)

  1. Willi

    Hallo Frank ! Voller Bewunderung über das von Dir geleistete Pensum ,ziehe ich alle meine vorhandenen Hüte vor Dir.
    Die Konferenzschaltung ( Uzbekistan-Celle-Bremerhaven) mit Dir und Katrin am 15. Aug. werde ich nicht so schnell von meinem AB löschen . Vielen Dank für Deine lieben Grüße.
    Für Deine weitere Weltreise wünsche ich Dir:
    1. bleib gesund, behalte die gute Laune, freue dich mit den vielen neuen Freunden,
    2. Immer genug Luft auf den Reifen, eine stabile Kette, Sonne von oben, Wind von hinten, genug Steine zur Verteidigung,

    Viele Grüße von Renate u. Willi an Dich und Deinen „Goastwriter “ Katrin.
    Ich bin begeistert von eurer Dokumentation und freue mich auf das was noch kommt.
    Telefonisch per Konferenzsch. ( ?????? – Celle – Brhv ) dann bis zum 15. 08. 2014

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  2. Nicole

    Hallo Frank, nun hab auch ich es auf deine einmalige erstaunliche Seite geschafft und bin schwer beeindruckt von deiner Tour. Ich hoffe, dass sie weiter so aufregend und unvergesslich bleibt und du weiterhin gut durchkommst. Viele Grüße aus Bremerhaven (,denn dort bin ich grad auf Urlaub) und ganz viel Energie Nicole

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  3. Mirja

    Ahhh…Familientreffen in Uzbekistan =)

    Hallo Onkel Frank,
    auch aus Hamburg mal wieder ein paar – Neid erfüllte – Grüße an den Strampelden.
    Wie schnell die Zeit vergeht, du bist schon bald 5 Monate unterwegs und schon so wahnsinnig weit gekommen. Und das Erlebte kann dir keiner jemals nehmen.
    Seufz…wie schööön…

    Freue mich auf die nächsten Geschichten,
    alles Liebe und weiterhin gute Fahrt,
    deine Mirja

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  4. Pingback: Frank aus Celle radelt nach Kirgistan – on the bike

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