Auf dem Weg nach Kochkor sehe ich mehr als 20 Kamele bei der Nahrungsaufnahme.
Vierzehn Kilometer hinter Keng Suu zelte ich an einem Fluss. Mein Abendessen nehme ich auf einem großen Stein direkt am Wasser ein. Ein „Cowboy“ winkt mir vom gegenüberliegenden Ufer zu, während ich bei kühlen 8 °C den Sonnenuntergang beobachte – einfach traumhaft!
Heute geht es richtig bergauf zum Kalmk-Ashuu-Pass, und zwar mit Regenzeug. Die Straße besteht nur noch aus Schotter, und das viele Schieben ist richtig schwer.
Ab 3200 Meter setzt Schneefall ein. Inzwischen habe ich die lange Unterhose angezogen. Der Viehabtrieb ins Tal hat schon begonnen, sodass ich oft die Straße verlasse und abwarte, bis die Tiere – Pferde, Kühe, Esel, Schafe, Ziegen – vorbeigezogen sind. Die Pferde sind sehr nervös, und neben der Straße geht es steil bergab – das ist nicht ungefährlich!
Der nächste See, den ich ansteuere, ist der Song Kul – er liegt auf 3016 Metern Höhe. Ich fahre zu einer der ersten Jurten. Eine von beiden ist beheizt, bewohnt von Vater, Mutter, Tochter und zwei weiteren Erwachsenen. Ich schlafe in der unbeheizten Jurte allein. Morgens wasche ich mich am Bach bei Temperaturen um den Gefrierpunkt. Zum Frühstück gibt es Lachman und jede Menge Chai, den üblichen Tee.
Die Gipfellagen des Tienschan Hochgebirges weisen polare Klimamerkmale auf, in 3000 Metern erreichen die Temperaturen auch im Sommer nicht mehr die 10 °C-Marke. Die in den Hochtälern und Hochebenen sehr strengen Wintermonate bringen zum Teil große Mengen von Schnee mit sich, was zu einem starken Ansteigen der Flusspegel in der Schmelzperiode führt.
Ich fahre südlich des Song Kul weiter Richtung Westen. Meine Fahrt geht gegen den Wind, sodass mir die 200 Höhenmeter richtig zu schaffen machen.
Ein Schnee-Graupel-Schauer kommt volle Kanne von vorn, und ich muss vom Fahrrad runter, weil der peitschende Niederschlag im Gesicht schmerzt. Ich drehe der Wetterfront den Rücken zu. Gott sei Dank entdecke ich dabei eine kleine Jurte.
Vor der Jurte liegen drei Hunde, die mich aber nicht daran hindern, durch Rufen festzustellen, ob jemand da ist. Zugeschneit wie ich bin bittet mich die Frau, die im Eingang zur Jurte erscheint, hinein. Die Schuhe bleiben natürlich vorne in der Jurte stehen, und auf dem Teppich sitzend reicht sie mit Chai und dann noch Tomatensalat.
Als ihr Mann in einen Gummimantel gehüllt auf seinem Esel sitzend eingeschneit zurückkommt, geht auch die Frau nach draußen zum Melken. Gegen Abend kommen die Herden nämlich zurück zur Jurte, und gemeinsam treiben wir Schafe und Ziegen in einen eingezäunten Pferch.
Am Abend esse ich mit den Eheleuten. Es gibt Plov.
Anschließend stellen sie ihren Tisch nach draußen, damit sie mich beherbergen können. Eine Matte wird auf dem Boden ausgebreitet, und ich erhalte ein Kissen und Decken zum Wärmen.
Am nächsten Morgen werden erst einmal die Tiere versorgt. Die Frau melkt die Kühe, und ich lasse die Schafe und Ziegen raus. Anschließend gibt es Frühstück: Reste vom Plov und Brot zu Tee. Unsere Unterhaltung läuft ausschließlich über Gestik, Mimik und Point it.
Das Zähneputzen muss ausfallen, weil mein Trinkwasser am Fahrrad eingefroren ist.
Erneut muss ich heute über einem Pass, den Kara-Keche-Pass. Bergab geht es Richtung Chaek.
Dass ich bei dieser Straße noch keinen Speichenbruch habe, ist unfassbar – das Fahrrad ist ein Sahnestück! Ein hochstehender Stein schlägt bis auf die Felge durch und reißt gleich zwei ca. 5mm Schlitze in den Schlauch. Es ist schon fast dunkel, und ich muss umgehend den Schlauch wechseln. Bis zur Unterkunft in Chaek sind es noch 20 Kilometer steil bergab auf Extremschotter, inzwischen im Dunkeln. Mein Navi zeigt mir jede Kurve an, was mir wirklich hilft – ich ertaste mir quasi den Weg! Endlich erreiche ich Chaek. Um diese Tageszeit ist es problematisch, Leute nach dem Weg zu fragen, da bereits viel Alkohol konsumiert ist und man sich vor Pöbeleien und Anmachen hüten sollte. Wodka ist ein akzeptiertes Getränk in Kirgisistan, und den Missbrauch sieht man vielerorts.
Am sichersten fragt man in einem der vielen kleinen Läden nach einer Unterkunft.
Eigentlich habe ich gehofft, in Chaek nach Tagen endlich wieder einmal übers Internet Kontakt nach Hause herzustellen, aber ich übernachte in einem sehr einfachen Guest house ohne Wifi.
In Kyzyl Oi behebe ich am nächsten Tag Platten Nr. 9 und 10, und mein Flickzeug reduziert sich inzwischen auf genau einen Flicken. Es wird Zeit, dass ich nach Hause komme, denn ich muss dringend zu Fahrrad-Brand, den Flickennachschub sichern.
Zwischen Suusanyr und Keper-Aryk fahre ich durch einen drei Kilometer langen Tunnel, der auf 3200 Metern Höhe liegt – der Tör-Ashuu-Pass, mein dritter Pass.
Vor dem Tunnel setze ich meine Stirnlampe auf den Helm und wende mich an die Security Leute. Man sagt mir, ich solle einen Mundschutz tragen; die extrem lauten Ventilatoren schaffen keine hinreichende Abhilfe bei den vielen Abgasen.
Es gibt eine Ampelanlage für Lkw, weil sich keine zwei solch großen Fahrzeuge im Tunnel begegnen können. Ich kann direkt fahren, denn es sind grad keine Lkw dort unterwegs. Im Tunnel geht es bergab. Mein Halstuch habe ich vor den Mund gezogen, und ich komme zügig und gut durch den Tunnel.
Auf den folgenden Kilometern geht es 2221 Höhenmeter bergab, und ich überhole mit 45 bis 60 km/h auf nun asphaltierter Straße so manchen Lkw.
In Keper-Aryk zelte ich bei einem Bauern im Obstgarten und verpflege mich mit meinem mitgenommenen Brot und Fischkonserven sowie Äpfeln von den Bäumen, die ich nachts herunterfallen höre. Abends um halb acht liege ich im Schlafsack und penne bis kurz nach sechs Uhr morgens; ich fühle mich hier absolut sicher!
Am nächsten Tag erreiche ich Kirgisistans Hauptstadt Bishkek. Das Radison Guest House, in dem ich vor gut drei Wochen bereits abgestiegen war, ist voll, sodass ich im Carport mein Zelt aufschlage. Allerdings werden vier Radfahrer nachts Richtung Flughafen abreisen. Freundlicherweise kann ich deren Zimmer schon um 5 Uhr beziehen, sodass ich mein Zelt wieder abbaue. Nach acht Tagen kann ich nun endlich mal wieder duschen! Nach mehr als einer Woche habe ich wieder Kontakt per Skpe nach Hause!
In den nächsten Tagen werde ich erstmal meine Klamotten waschen müssen, denn ich habe nichts Sauberes mehr zum Anziehen. Mein Fahrrad verpacke ich in einem Karton, den ich in einem Fahrradladen organisiere.
Der Sohn des Hauses hat ein großes Auto, er fährt mich am 27. September die 30 Kilometer zum Flughafen.
Von Bishkek geht es mit Turkish Airlines via Istanbul nach Hannover. Nach gut zwölf Stunden Reisezeit treffe ich Katrin am Flughafen.
Ich beende Teil 1 meiner Tour nach 7650 Fahrradkilometern.
Hallo, Frank!
Vielen Dank für Kirgistan (3). Kamele, kaputtes Fahrrad, Jurte, Eis, Pässe, Kältel, die Abenteuer nehmen kein Ende. Die Bilder vom vereisten Fahrrad lassen den Betrachter schaudern. Immer wieder bin ich erstaunt über die Gastfreundschaft dieser Menschen. Sind sie nun arm oder reich? Darüber weißt du nun Bescheid. Sie erscheinen aber nicht unglücklich zu sein.
Nach diesen kalten Abschnitt hast du dir den „Heimaturlaub“ redlich verdient. Nun kannst du dich aufwärmen, stärken und neue Energie tanken und dich mit Flilckzeug versorgen.
Bei uns geht alles seinen Gang. Meine Lieblings- und Hauptbeschäfitgung ist zurzeit der Garten, den ich lange sträflich vernachlässigt habe.
Nun erhol dich gut für Teil 2 der Reise. Viele Grüß auch an Kathrin
von deiner Wietzenbronxer Fangemeinde Adolf und Co